Gabriel auf der Suche

„Wir suchen den besten Standort“: Endlager-Alternativen zu Gorleben will Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erkunden – einen Laufzeiten-Deal mit den AKW-Betreibern bestreitet er aber

Gabriel: „Was ich nicht mitmache, ist ein Deal über Laufzeit-Verlängerungen“

aus WolfenbüttelReimar Paul

Sigmar Gabriel gab sich kämpferisch. „Wir werden verhandeln, hart verhandeln, wir werden Argumente vorbringen und notfalls auch unsere Folterinstrumente vorzeigen“, kündigte der Umweltminister am Montagabend in Wolfenbüttel an. Bürgerinitiativen und kirchliche Gruppen hatten zu einer Podiumsdiskussion über die Endlagerung von Atommüll geladen. Und Gabriel, der die Region um die Endlager-Standorte Asse und Schacht Konrad auch als Bundestagsabgeordneter vertritt, ließ keinen Zweifel daran, dass er Bewegung in die fest gefahrene Debatte bringen will.

Neben dem Salzstock Gorleben sollen auch andere Standorte als Endlager für hoch radioaktiven Abfall untersucht werden, kündigte der Umweltminister an. Noch in diesem Jahr will sein Haus ein Gesetz für eine vergleichende Endlagersuche vorlegen. Damit das Vorhaben den Bundestag passiert, braucht Gabriel allerdings die Zustimmung der Union – und der mit ihr verbandelten Atomwirtschaft.

Die Fronten im Endlagerstreit sind seit Jahren verhärtet. Niedersachsens Landesregierung, CDU/CSU und FDP sowie die Betreiber der Atomkraftwerke setzen bekanntlich auf den Standort Gorleben. Der Salzstock sei als Lagerstätte für den stark strahlenden Müll geeignet, sagen sie. Die im Jahr 2000 unterbrochene Erkundung müsse zu Ende geführt werden, das Endlager so schnell wie möglich in Betrieb gehen. Die Energiekonzerne als Verursacher des Atommülls verweisen zudem darauf, dass sie bereits 1,3 Milliarden Euro in Gorleben verbuddelt haben. Die Summe macht allerdings nur einen kleinen Teil der steuerfreien Rückstellungen aus, welche die Stromwirtschaft für die Entsorgung des Atommülls angehäuft hat.

SPD und Grüne sind dagegen skeptisch, ob der Gorlebener Salzstock wirklich der beste Ort ist, um den strahlenden Müll für zehntausende Jahre sicher zu verscharren. Um das heraus zu finden, müssten weitere mögliche Standorte erforscht werden. „Wir suchen nicht nur einen geeigneten, sondern den geeignetsten Standort“, sagte Gabriel. In dem Gesetz für eine vergleichende Endlagersuche würden verbindliche Kriterien für ein künftiges Endlager festgelegt. „Danach bin ich grundsätzlich bereit, an jedem Quadratzentimeter in Deutschland bohren zu lassen.“ Die Kosten dürften dabei nicht die Messlatte sein, sagte Gabriel. Die für die Untersuchung mehrerer Standorte nötigen Investitionen beziffert er auf rund 1,2 Milliarden Euro.

Zur Endlagerung des stark strahlenden Atommülls in tiefen geologischen Schichten wie Salz oder Granit sieht Gabriel dabei keine Alternative. „Ich glaube, dass das der einzige verantwortbare Weg ist“, sagt der Minister. Die so genannte Transmutation, also die Umwandlung von radioaktiven in nicht strahlende Stoffe, sei technisch noch längst nicht ausgereift. Dem Konzept einer „rückholbaren Endlagerung“, wie es Atomkraftgegner bei der Veranstaltung vertreten, erteilt Gabriel eine schroffe Absage. „Weil dann Wasser und Menschen eindringen können“, berge das Offenhalten eines Endlagers viel größere Risiken als der sichere Verschluss.

Am Montag hatte der Spiegel über ein vertrauliches Gespräch des Umweltministers mit Vertretern der vier großen Energiekonzerne RWE, E.ON, Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Vattenfall berichtet. Gabriel habe den Unternehmen Probebohrungen in anderen Bundesländern vorgeschlagen. Wenn sich dabei keine bessere Lösung finden lasse, würde die Bundesregierung Gorleben als Endlager akzeptieren.

Gabriel bestätigte das Treffen. Den vom Spiegel unterstellten Kuhhandel – längere Reaktor-Laufzeiten für ein Entgegenkommen bei der Endlagersuche – wies er aber zurück. „Was ich nicht mitmache, ist ein Deal über Laufzeit-Verlängerungen“, sagte der Minister. Es bleibe bei den vereinbarten Restlaufzeiten. „Diejenigen, die längere Laufzeiten durchsetzen wollen, kämpfen für ihre wirtschaftlichen Interessen.“

Das bereits genehmigte Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter spielt in der neu entflammten Endlager-Debatte nur eine Nebenrolle. In die frühere Eisenerzgrube dürfen nur schwach und mittel-radioaktive Abfälle eingelagert werden. Für stark strahlende Abfälle wie die abgebrannten Brennelemente aus Atomkraftwerken gilt die im März vom Oberverwaltungsgericht bestätigte Genehmigung nicht.

Auch ist noch offen, ob die Bundesregierung das „Ein-Endlager-Konzept“ der rot-grünen Vorgängerregierung übernimmt. In diesem Fall kämen alle Arten von Atommüll in ein einziges Lager und Schacht Konrad bliebe leer.

Atomkraftgegner befürchten indes, dass auch eine neu aufgerollte Endlagersuche wegen der bereits geschaffenen Sachzwänge am Ende auf Gorleben hinaus läuft. Jeder Castortransport ins Zwischenlager Gorleben zementiere diesen Standort auch als Endlager, das sagt Francis Althoff von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Niemand werde die strahlenden Behälter jemals wieder aus dem Wendland abtransportieren. Für diesen Herbst oder das kommende Frühjahr ist erneut ein Transport mit zwölf Castoren aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Gorleben angekündigt.