„Alles andere ist eine Scheintierliebe“

Der Göttinger Wildbiologe Helmuth Wölfel hält die Tötung des bayerischen Braunbären für richtig

taz: Der Braunbär in Bayern steht zum Abschuss frei. Könnte man ihn nicht mit Narkosegewehren oder Fallen einfangen?

Helmuth Wölfel: Das Fangen mit Fallen kann man beim Bären vergessen. Dazu ist er zu kraftvoll und geschickt. Mit dem Gewehr muss man bis auf 20 Meter ran und zunächst einen finden. Das klingt einfacher, als es ist und im Fernsehen dargestellt wird. Falls er sich aber wirklich so oft in menschlicher Nähe aufhält, dann könnte man ihn auch narkotisieren.

Fangen wäre also eine Alternative?

Wenn dieser Bär mit Menschen vertraut ist, dann ist er für die freie Wildbahn ungeeignet. Er müsste bis zum Ende seines Lebens in Gefangenschaft sitzen. Da finde ich die schnelle Lösung besser, auch als Biologe, der sich mit dem Verhalten von Wildtieren beschäftigt. Alles andere ist Scheintierliebe.

Wie gehen die Verantwortlichen in anderen Ländern mit Bären um, wenn sie Haustiere töten?

In Österreich hat man Versicherungen abgeschlossen, als dort Luchs und Bär wieder angesiedelt wurden, um Bauern zu entschädigen. Aber auch dort wurde ein Bär zum Abschuss freigegeben, nachdem er Menschen zu nahe kam. Es geht aber nicht um den Verlust einzelner Schafe, die fallen nicht ins Gewicht.

Der Bär ist in Deutschland seit 171 Jahren ausgestorben. Warum haben Menschen immer noch so eine Angst vor ihm?

Es existiert ein falsches Bild: Bären werden in Museen immer noch als Bestien mit fletschenden Zähnen dargestellt. Das machen sie aber nur, wenn sie auf Rivalen treffen. Aber auch die Medien und ihre Darstellung sind Schuld an diesem Bild.

Sollten sich die Bayern nicht freuen, dass ein ausgerottetes und seltenes Tier wieder einwandert?

Natürlich, das ist doch traumhaft. Schließlich gibt es auch hier genug Platz für Mensch und Bär. Aber bitte nicht überall und nur in weniger besiedelten Kulturlandschaften. Im Harz freuen sich die Touristen über den angesiedelten Luchs. Und auch die Reaktionen von Presse und Öffentlichkeit waren posi- tiv, als ein Wolf vor ein paar Jahren durch Niedersachsen zog. Das wäre vor zwanzig Jahren noch anders gewesen. Wichtig ist es, die Bevölkerung vorzubereiten.

Was hätte man im Fall des Bären tun müssen?

Die Medien sollten den Wiedereinzug des Bären positiv begleiten, nicht so scharf wie bisher. Sie stellen keine Gefahr dar, wenn sie sich nicht angegriffen fühlen und nicht an uns gewöhnt sind. Als Wildtier weicht er Menschen normalerweise aus.

INTERVIEW: CHRISTIAN HONNENS