Der Wüterich

Ein paar Meter weiter saßen Kinder, zückten ihre Handys und filmten auf der Tribüne einen fluchenden Fußballtrainer. „Ich habe niemanden beleidigt“, sagte Torsten Lieberknecht, als er erklären sollte, warum ihn Schiedsrichter Wolfgang Stark auf die Tribüne verbannt hatte.

Der Chefcoach von Eintracht Braunschweig nimmt für sich in Anspruch, äußerst impulsiv zu sein. Ausgelebt wird das Ganze direkt am Arbeitsplatz, an dem Lieberknecht am Samstag vor 21.810 Zuschauern eine 0:1-Heimniederlage gegen den SC Freiburg hinnehmen musste. Die Eintracht rutscht damit ab an das Tabellenende der ersten Fußball-Bundesliga.

Der zeternde und wütende Lieberknecht wird in der Region Braunschweig vergöttert. Weil er anders ist. Weil er ein Kumpeltyp ist und Autogramme gibt. Und weil er es mit einem eher zweitklassigen Team ohne großes Tamtam und Geld bis in die erste Liga geschafft hat.

Kaum jemand leidet an der Seitenlinie so intensiv mit wie Lieberknecht. Am 13. Spieltag soll ganz in seiner Nähe der Ball über die Außenlinie gerollt sein. Der Schiedsrichter ließ weiterspielen. Freiburg schoss Sekunden danach das Siegtor. Lieberknecht war so erbost, dass er in der 53. Minute strafversetzt wurde.

Wahrscheinlich sind seine Ausraster dem insgesamt düsteren Szenario in Braunschweig geschuldet. Nach fünf erfolgreichen Jahren stößt Lieberknecht an Grenzen und kann sich damit offenbar nicht abfinden. Wie sonst ist zu erklären, dass er sich nach der Heimpleite gegen die ebenfalls abstiegsgefährdeten Freiburger auch noch darüber aufregte, dass während der Heimspiele in Braunschweig die Zwischenergebnisse aus anderen Stadien sichtbar gemacht werden? „Das interessiert doch kein Schwein“, findet Lieberknecht plötzlich und behauptet, dass sich seine Spieler durch diesen Dienst am Kunden ablenken lassen.

Wer keine guten Ausreden für Misserfolge hat, muss sich schlechte suchen. Lieberknechts Kritiker behaupten, dass der 40-Jährige abgebrüht genug ist, um nach Niederlagen der Eintracht Theaterstücke aufzuführen, die von den Schwächen seiner Spieler ablenken sollen. Es war dieses Mal allerdings eine recht deftige Aufführung, die eine Geldstrafe nach sich ziehen wird. „Ich weiß, dass man mich auf dem Zettel hatte. Als ob man darauf wartet, bis der Lieberknecht durchdreht, um dann ein Exempel zu statuieren“, sagte Lieberknecht und witterte eine Verschwörung der gesamten Schiedsrichter-Gilde.

Auf Zetteln vorgemerkt, auf Handys verewigt: Der Held der Eintracht ist auf gutem Weg, sich auch in so manchem Hinterkopf als Nörgler und Querulant zu etablieren.  CHRISTIAN OTTO