Oranienplatz vor der Räumung

ASYL I Rund 80 Flüchtlinge ziehen in ihr Winterquartier in Wedding. Der Bezirk will die übrigen Protestler im Zeltlager nicht mehr länger dulden und ruft Polizei dazu. Spontane Gegendemo am Abend in Kreuzberg

„Wir wollen hier nicht weg, das Camp ist unser Kampfplatz gegen Lager“

NAPULI LANGA, AKTIVISTIN

VON KONRAD LITSCHKO

Am Sonntag stand das Protestcamp auf dem Oranienplatz, auf dem Flüchtlinge seit gut einem Jahr protestieren, vor dem Aus: Nach dem Auszug von 80 Flüchtlingen in eine Weddinger Unterkunft entzog der Bezirk den Flüchtlingen, die noch auf dem Oranienplatz waren, die Duldung. Die Polizei rückte daraufhin am späten Nachmittag mit zehn Mannschaftswagen an – um dann die Räumung am Abend doch noch kurzfristig abzusagen.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hatte in der Vergangenheit stets klargemacht, dass das Camp auf dem Platz abgebaut wird, sobald ein Haus für die Flüchtlinge gefunden ist. Ende vergangener Woche bot sie gemeinsam mit CDU-Sozialsenator Mario Czaja überraschend ein Quartier an: das frühere Caritas-Seniorenheim „Zum guten Hirten“ in der Residenzstraße im Wedding. Zuvor war stets ein einstiges Hostel in Friedrichshain im Gespräch, der Betreiber aber sprang ab.

Am Freitag hatten die Flüchtlinge mehrheitlich dem Umzug zugestimmt. Am Sonntagmittag bezogen sie das Haus und trugen sich dort in eine Liste ein. Gegen 16 Uhr vermeldete Caritas-Sprecher Thomas Gleißner, dass alle 80 Plätze vergeben sind. Doch noch immer strömten Flüchtlinge ins Haus.

„Mehr können wir aufgrund des Brandschutzes nicht aufnehmen“, sagte Gleißner. Man führe nun Gespräche um eine „einvernehmliche Lösung“. Letztlich müssten das die Flüchtlinge aber selbst klären, man sorge nur für die humanitäre Hilfe. Auf dem Oranienplatz blieben derweil rund 20 Flüchtlinge zurück, die den Umzug in ein Haus ablehnten. Die Sudanesin Napuli Langa sagte: „Wir wollen hier nicht weg, das Camp ist unser Kampfplatz gegen Lager, Abschiebungen und die Residenzpflicht.“ Mit einem Haus sei noch keine dieser Forderungen erfüllt.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann bestätigte der taz, dass sie die Polizei um Amtshilfe für die Räumung gebeten habe. Am Nachmittag verkündete sie ihre Entscheidung auch den rund 20 Flüchtlingen, die sich seit einigen Stunden im Camp aufgehalten hatten. Sie riet ihnen, „dorthin zu gehen, wo sie am Sonntag herkamen“: in die von Flüchtlingen besetzte Schule in der Ohlauer Straße.

Die Polizei sammelte sich gegen 17 Uhr in einer Nebenstraße. Beamte gingen die Zelte des Camps ab und zählten, wer dort noch wohnt. Dann zog sich die Einsatzleitung zurück. Unterstützer riefen über SMS-Ketten und per Facebook und Twitter dazu auf, vor Ort gegen eine Räumung zu protestieren. Bis 18 Uhr waren etwa 400 Personen eingetroffen. „Haut ab!“, riefen sie der Polizei entgegen.

Kurz darauf dann die Entscheidung der Polizei: vorerst keine Räumung. „Da uns gesagt wurde, dass in den Zelten noch Leute wohnen, werden wir heute nichts abbauen“, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Wie lange das gelte? Das entscheide der Bezirk, sagte Redlich.

Die Unterstützer begannen daraufhin eine spontane Demonstration und skandierten „Bleiberecht für alle!“