Rotstift-Orgie in Kiel

Am Mittwoch hat die schleswig-holsteinische Landesregierung das größte Sparprogramm in der Geschichte des Landes beschlossen. Besonders stöhnen die Kommunen, aber betroffen sind alle Bereiche. Nur die Diäten hat man sich erhöht

„Ich weiß, es ist schmerzhaft, und ich erwarte auch keinen Jubel“, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen bei der Vorstellung der Eckwerte für den Landeshaushalt 2007 und 2008. Die Regierung will die Netto-Neuverschuldung halbieren, dafür müssen pro Jahr und dauerhaft 300 Millionen Euro gespart werden.

Es trifft alle Bereiche: Die Bediensteten des Landes, die Kommunen und zahlreiche Projekte, die bisher Zuschüsse aus Landesmitteln erhielten. Bis zu einer Kabinettsklausur im Juli sollen die Ministerien festlegen, wo in ihren Ressorts gespart und was möglicherweise verkauft werden kann. Dazu zählen die Landeswälder sowie Beteiligungen an der Eisenbahngesellschaft Altona-Kaltenkirchen-Neumünster und der Kieler Flughafengesellschaft. „Wir lassen uns das Nachdenken und Prüfen nicht verbieten“, sagte Carstensen: Mancher mag das als Drohung verstehen.

Zum Beispiel die Kommunen, die seit Wochen Sturm laufen gegen den geplanten Haushalt. Rund 120 Millionen Euro sollen sie einsparen, vor allem durch Kürzungen im Kommunalen Finanzausgleich. Aus diesem Topf erhalten Dörfer und Städte je nach Einwohnerzahl Geld für alle Ausgaben vom Bürgersteig bis zur Sportverein-Förderung.

Schon jetzt bewältigen die meisten Gemeinden gerade einmal ihre Pflichtausgaben. Wird noch mehr gekürzt, fürchten viele Bürgermeister, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind. Aber das Kabinett blieb hart – auch wenn die Basis sowohl der SPD als auch der CDU murrt. Innenminister Ralf Stegner (SPD) machte immerhin Vorschläge, nicht die ganzen 120 Millionen aus den Schlüsselzuweisungen zu holen, sondern andere Möglichkeiten auszuschöpfen. „Die Einsparmöglichkeiten sind offenbar größer als gedacht – wenn man es denn will“, sagte Ministerpräsident Carstensen. Genaue Zahlen wollte er nicht nennen: „Mir reicht, was ich im Moment an die Backen kriege, da will ich nicht noch zusätzlich Fliegenklatschen verteilen.“

Wortbruch und Sparprogramme auf Kosten der Kleinsten werfen nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch die Landesbediensteten der Regierung vor: Deren Weihnachtsgeld wird entgegen aller Versprechen gestrichen. Allerdings erhalten die unteren Besoldungsgruppen eine Sonderzahlung und Eltern ein vorweihnachtliches Geschenk von 400 Euro pro Kind. Alle Beamtinnen und Beamten sollen ab August 41 Wochenstunden arbeiten, Stellen nicht mehr besetzt werden.

Das Kabinett beriet zahlreiche weitere Punkte, etwa Kürzungen bei Theatern und Frauenhäusern. In beiden Bereichen werde nichts gestrichen, aber die heutige Summe werde gedeckelt, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Ute Erdsiek-Rave.

Kein Streitpunkt zwischen den Parteien waren die Diäten der Abgeordneten, über die der Innen- und Rechtsausschuss zeitgleich beriet. Mit großer Mehrheit beschloss das Gremium, die Basis-Bezüge deutlich zu erhöhen. Wolfgang Kubicki (FDP) fand 1.500 Euro Zuschlag monatlich für die Rente sogar ein bisschen wenig. Aber in Sparzeiten muss eben jeder Opfer bringen.

Esther Geißlinger