Die Grenze in mir

GRENZÜBERSCHREITUNG Musikalische Grenzen kennt Lila Downs keine. Gleichwohl drehen sich ihre Songs immer wieder um die Grenze – zwischen den USA und Mexiko und in ihr selbst

Lila Downs kennt die Grenze, sie verläuft mitten durch sie hindurch

VON KNUT HENKEL

Lila Downs kennt die Grenze, „la frontera“, wie kaum eine andere. Als Tochter einer Mixtecin aus dem Süden Mexikos und eines schottisch-amerikanischen Kunstprofessors verläuft die Grenze mitten durch sie hindurch. In Minnesota und in Oaxaca wuchs Lila Downs auf und als ihr Vater Allen Downs starb, bekam sie den verächtlichen Blick, mit denen in Mexiko wie den USA die Menschen mit indigenen Zügen abgestraft werden, zu spüren.

Heute steht die charmante Sängerin zu ihren Roots: „Ich bin selbst Grenze, denn ich bin alles und eben auch Indígena. Teil meiner Arbeit ist es, die Grenzen zu verbinden, sie zu überwinden. Das ist auch ein Grund, weshalb ich auf meinen letzten Platten mehr Englisch singe.“ Die „papas calientes“, die heißen Themen zwischen Norden und Süden, werden von ihr aufs Korn genommen und der amerikanischen wie der mexikanischen Gesellschaft der Spiegel vorgehalten. Songs über das Dasein der mexikanischen Arbeiter, deren oftmals verächtliche Behandlung durch die Gringos gehören genauso zu ihrem Repertoire wie Stücke über die überbordende Korruption in ihrem Heimatland, die sozialen Verhältnisse und das ineffiziente Justizsystem.

Unbequem ist die 39-jährige Sängerin, die zwischen New York, Mexico-City und Oaxaca pendelt und in ihrem Heimatland längst zu einer selbstbewussten Ikone der indigenen Minderheit geworden ist. Die Saat dazu hat ihre Mutter Anita Sánchez gelegt, die ihre Tochter von vornherein nicht wie ein typisches mexikanisches Mädchen, sondern als Freigeist erzog. Gleichwohl war es ein schmerzhafter Prozess für Lila Downs, die eigene Identität auszuloten, sich zu ihrer indigenen Seite zu bekennen und sie schätzen zu lernen. Als Teenager färbte sie sich die Haare rot und wollte nichts von der andere Seite der Grenze in ihrer Seele wissen. Das kam erst später mit dem Studium der Anthropologie und der Reise in die Berge ihrer Heimat Oaxaca, wo sie lernte, die kunstvollen Stoffe zu weben, für die das Volk der Mixtecen bekannt ist.

Diese farbenfrohen Kleidungsstücke trägt sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch in ihrer zweiten Heimat New York. Deren unbändige Multikulturalität schätzt sie, denn dort „sind Ausländer ein Stück Normalität und gewünscht, was man von anderen Regionen der USA nicht gerade behaupten kann“. Wieder spricht Lila Downs aus eigener Erfahrung, denn sie kennt das eigenbrötlerische landwirtschaftlich geprägte Minnesota aus dem Effeff.

Bunter geht es in ihrer Band zu, zu der neben waschechten Amerikanern wie ihrem Mann Paul Cohen Kolumbianer, Venezolaner und Chilenen gehören und kollektiv für einen überaus rhythmischen und sich ständig neu erfindenden Sound sorgen. Die Band ist für die agile Sängerin mit der vollen, wandelbaren Stimme, der ein satter Blues genauso locker über die Lippen geht wie der eher hohe Gesang ihrer indigenen Ahnen, eine zweite Familie. In die wird jeder und jede eingemeindet, die oder der einmal mit der singenden Frida Kahlo, wie sie auch genannt wird, auf der Bühne oder im Studio stand.

Unablässig wirbt sie für mehr Toleranz im Norden und für mehr Selbstbewusstsein im Süden: „Wir Mexikaner müssen lernen, uns selbst zu akzeptieren, unsere eigene Identität entdecken.“ Lila Downs hat das schon hinter sich. Vielleicht ist sie deshalb zur singenden Botschafterin diesseits und jenseits der Grenze geworden.

■ Sa, 29. 5., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36