: Know-how wird bezahlbar
WEITERBILDUNG Mit einer Qualifizierungsoffensive versucht die Bundesregierung seit 2009 das untere Ende der Karriereleiter zu erreichen. Die „Bildungsprämie“, ein Scheck vom Staat, trägt die Hälfte der Kosten
■ Inpäd e.V.: Manfred-von-Richthofen-Str. 2, 12101 Berlin, www.inpaed-berlin.de, Tel. (0 30) 68 97 72 18.
■ Jobassistenz Spandau: Prämienberatung ab 1. Juni 2010, Brunsbütteler Damm 75, 13581 Berlin, www.jobassistenz-berlin.de, spandau@jobassistenz-berlin.de, Tel. (0 30) 27 87 33-150.
■ Jobassistenz Mitte: Rudi-Dutschke-Straße 5, 10969 Berlin, fk@jobassistenz-berlin.de, Tel. (0 30) 27 87 31 41.
■ kontinuum e. V.: Geöffnet ab 1. Juni, Ziegelstr. 30, 10117 Berlin, www.kontinuum-berlin.de, info@kontinuum-berlin.de, Tel. (0 30) 2 85 98-382/-383.
■ Weiterbildungsdatenbank Berlin: Neue Schönhauser Straße 10, 10178 Berlin, www.wdb-berlin.de/bildungspraemie.aspx, kapr@europublic.de, Tel. (0 30) 28 38 42 38.
VON ANSGAR WARNER
Die Franzosen tun es häufiger als wir, die Briten sind noch besser, und die Skandinavier sind Spitze. Bei der Weiterbildung sind die Deutschen nicht Weltmeister, sondern zweite Liga. Arbeitnehmer in europäischen Nachbarländern wenden weitaus mehr Zeit auf, um sich neben dem Job neue Qualifikationen anzueignen. Sind es hierzulande knapp lediglich ein Viertel der Beschäftigten, liegt die Quote in Dänemark oder Schweden fast doppelt so hoch. Gerade Geringqualifizierte stoßen auf besondere Probleme – sie sind oft nur befristet beschäftigt, viele arbeiten Teilzeit. Eine Chance zur betrieblichen Weiterbildung erhalten sie meistens nicht, denn für die Arbeitgeber ist im Zweifelsfall Heuern und Feuern billiger. Viel Geld für Weiterbildung auf eigene Faust ist meist nicht vorhanden. Was also tun, wenn der Kellner wissen will, wie man Cocktails mixt, wenn die Friseurin trendige Faconschnitte beherrschen möchte oder die angelernte Reinigungskraft einen Grundlehrgang zur Krankenhaushygiene bräuchte?
Mit einer Qualifizierungsoffensive versucht die Bundesregierung seit 2009 das untere Ende der Karriereleiter zu erreichen. Vom Schnellkurs im Rettichschnitzen bis zur Zertifikat für Lymphdrainage ist alles drin – die „Bildungsprämie“ ist quasi ein Scheck vom Staat, mit dem sich die Hälfte der entstehenden Kosten begleichen lassen. Seit Anfang des Jahres sogar bis zu einer Höhe von 500 Euro, vorher waren es maximal 154 Euro. Man muss allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen, so Klaus Kapr von der Weiterbildungsdatenbank Berlin: „Die Bildungsprämie richtet sich ausschließlich an Erwerbstätige mit einem Einkommen von maximal 26.500 Euro, bei Verheirateten erhöht sie die Einkommensgrenze auf das Doppelte.“
Wer mehr verdient, kann aber trotzdem einen Gutschein bekommen. Nur kommt das Geld in diesem Fall aus einer anderen Quelle. Unter dem Titel „Weiterbildungssparen“ lassen sich nämlich Geldbeträge aus Ansparguthaben loseisen, die im Rahmen der Arbeitnehmersparzulage gebildet wurden. Normalerweise ist durch das Vermögensbildungsgesetz die vorzeitige Entnahme nicht möglich. Mit der Neuregelung kann man theoretisch sogar Prämien und Sparguthaben kombinieren – etwa, um besonders teure Kurse zu belegen.
Ausgestellt werden die Prämiengutscheine von bundesweit mehr als 500 Beratungsstellen – die Berliner Weiterbildungsdatenbank gehört dazu. Der bürokratische Aufwand hält sich in Grenzen: „Wer zu uns kommt, sollte sich ausweisen können, einen Einkommensnachweis dabeihaben und außerdem vorab schon recherchiert haben, welche Bildungsanbieter in Frage kommen“, so Kapr. Die Beratung soll nämlich nicht nur „trägerneutral“ sein, sondern auch in drei verschiedene Vorschläge münden, die auf dem Prämiengutschein vermerkt werden. Dann kann’s losgehen: „Innerhalb von drei Monaten muss der Gutschein bei einem der angegebenen Bildungsträger eingelöst werden.“
Mittlerweile gibt es in Berlin insgesamt fünf Beratungsstellen in Sachen Bildungprämie, bundesweit sogar mehr als 500. Das ist auch gut so, weiß Britta Contzen von der Service- und Programmstelle Bildungsprämie in Bonn: „Die Nachfrage ist seit der Anhebung der Förderhöhe auf 500 Euro quasi explodiert, seit dem 1. Januar sind bundesweit 25.000 Prämiengutscheine neu ausgegeben worden, in Berlin waren es allein im Monat April mehr als viertausend.“ Profitiert haben davon überwiegend Frauen – sie kassierten drei Viertel der Prämien: „Das hat damit zu tun, dass Frauen eben überwiegend teilzeitbeschäftigt sind und vom Arbeitgeber meist nicht genügend gefördert werden“, so Contzen. Unter ihnen sind etwa angestellte Zahnarzthelferinnen genauso zu finden wie selbstständige Nageldesignerinnen, denn bis zur Einkommensgrenze von 26.500 Euro können auch Kleinunternehmerinnen am Programm teilnehmen. „Insgesamt kann man sagen, dass wir mit der Bildungsprämie Menschen erreichen, die sonst nicht auf die Idee gekommen wären, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen“, so Contzen. Die Prämie sei dabei weitaus beliebter als die Spargutscheine: „Viele Beschäftigte wollen ihr Ansparguthaben lieber ruhen lassen.“
Finanziert wird die Bildungsprämie über den Europäischen Sozialfonds, zusätzliche Mittel gibt’s von der Bundesregierung, denn auch die Beratungsstellen werden für ihre Tätigkeit entlohnt: „Für jedes Beratungsgespräch erhalten wir eine Pauschale von 30 Euro“, so Kirsten Schulze von der Jobassistenz Berlin, die in den Bezirken Mitte und Spandau Beratungen anbietet. Auch bei der Jobassistenz ist die Nachfrage seit Anfang des Jahres spürbar angestiegen – doch auch hier ist der eigentliche Renner die Bildungsprämie: „Der Spargutschein wurde in unserer Beratungsstelle der Jobassistenz bislang nur einmal in Anspruch genommen – demgegenüber wurden seit 2009 über 400 Prämiengutscheine ausgestellt.“