BERLIN: INVESTITIONEN ZEIGEN, WAS VERKEHRSPOLITIK WERT IST
: Der Hauptbahnhof als Argument

Da wird Berlin ein Hauptbahnhof hingestellt samt neuer Nord-Süd-Verbindung einschließlich weiterer Stationen mit guten Verkehrsanbindungen. Nach Leipzig geht’s künftig in gut einer Stunde, eine Fahrtzeit, innerhalb deren der Autofahrer mit Mühe gerade einmal die Stadtgrenze erreicht hat. Auch andere Verbindungen werden schneller. Und was macht der Berliner? Freut er sich, lehnt er ab oder ist ihm das Ganze egal? Der Berliner tut das, was er eigentlich immer macht, wenn sich in seiner Stadt etwas verändert: Er nörgelt.

Tatsächlich ist die Einweihung der Nord-Süd-Trasse ein Meilenstein für die Verkehrsanbindung der größten deutschen Stadt an ihr Umland und darüber hinaus. Auf allen mittleren Entfernungen aus West und Süd ist das Verkehrsmittel Bahn künftig zeitlich unschlagbar. Nord und Ost werden folgen. Man mag darüber streiten, ob es einen zivilisatorischen Fortschritt darstellt, wenn Züge immer schneller fahren und ob die Unsummen gerechtfertigt sind, die dazu investiert worden sind. Aber mit demselben Argument haben Provinzstrategen schon die Schnellfahrtrassen in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts bekämpft. Und ganz ähnlich lautete die Kritik noch einmal hundert Jahre vorher, als Pferdefuhrwerksbetreiber die Konkurrenz auf der Schiene madig machten.

Heute geht es nicht mehr um Pferde. Die Bahn steht im Konkurrenzkampf mit anderen, schnellen Verkehrsträgern. Die Berliner Bahnwelt wird tausende Autofahrer davon überzeugen, ihr Fahrzeug stehen zu lassen. Die zehn Milliarden Euro, die das eisenbahntechnische Verkehrskonzept in Berlin gekostet hat, sind damit auch ein sichtbares Zeichen für künftiges Engagement der Politik. Man wird die Bundesregierung bei künftigen Projekten daran erinnern können, was ihnen Berlin wert war. Das gilt etwa für die fehlende Linie von Erfurt nach Nürnberg, mit der die Bahn das Auto zwischen Berlin und München endgültig abhängen könnte. Geht deren Bau in derzeitigem Tempo weiter, wird sie vielleicht im Jahre 2030 fertig gestellt sein. Dann allerdings ist der Verdacht begründet, dass es der Politik bei der Finanzierung des Berliner Hauptbahnhofs vor allem um eines ging: den Bau des eigenen Denkmals. KLAUS HILLENBRAND