„Die Provokation liegt Minister Glos im Blut“

Der CSU-Wirtschaftsminister legt sich mit der SPD an, indem er Atomkraft unterstützt und Klimaschutz behindert

BERLIN taz ■ Innerhalb der großen Koalition nimmt die Kritik an Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zu. Besonders SPD-Abgeordnete zweifeln am Sinn der Energiepolitik, die Glos betreibt.

Jüngstes Beispiel: Der Wirtschaftsminister will den Preis für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid im Rahmen des Emissionshandels auf maximal 20 Euro begrenzen. Der Preis für die Verschmutzungsrechte würde dann an der Börse nicht mehr über 20 Euro steigen. Die Unternehmen kämen billiger davon als mit der gegenwärtigen Regelung.

„Wir rätseln, was den Wirtschaftsminister antreibt“, sagt Axel Berg, ein Kenner des Emissionshandels in der SPD-Bundestagsfraktion. Glos’ Vorschlag würde dem Klimaschutz seine marktwirtschaftliche Komponente nehmen und damit das gesamte System aushebeln, heißt es bei der SPD. Außerdem verstoße die Idee aus dem Bundeswirtschaftsministerium gegen EU-Recht. Der Wirtschaftsminister müsse wohl erst noch lernen, dass auch er EU-Richtlinien einzuhalten habe, sagen Energieexperten.

Und ein Parlamentskollege, der nicht namentlich zitiert werden möchte, ergänzt: „Michael Glos ist noch nicht im Ministeramt angekommen, er pflegt weiterhin seinen früheren Politikstil als Landesgruppenchef der bayerischen CSU.“

Doch die Persönlichkeitsstruktur, die ihn für seinen alten Job prädestinierte, könne er nur schwer ablegen. „Das Provozieren liegt Herrn Glos einfach im Blut“, hört man auf den Reichstagsfluren. So stellt der CSU-Politiker schon mal ohne Not den Atomausstieg in Frage, offensichtlich nur, um seine Kabinettskollegen von der SPD zu ärgern. „Er ist getrieben von der Atomkraft“, urteilt der SPD-Abgeordnete und Wirtschaftsexperte Rainer Wend. Ein anderer Parlamentskollege geht noch weiter: „Wenn Glos das Wort Atomkraft hört, hebt sich reflexartig sein Arm.“ Jegliche Kritik an der deutschen Nuklearenergie sei ihm zuwider.

Doch Glos legt sich nicht nur bei jeder Gelegenheit mit den Atomgegnern im Parlament an. Als er kürzlich anregte, die Energiesteuern für die Industrie zu senken, handelte er sich die Kritik jener Abgeordneten ein, die in der Energieeffizienz die größten Chancen gegen den Klimawandel sehen. „Der Glos arbeitet noch immer lieber mit den alten politischen Schnellurteilen, statt sich in seine Themen einzulesen“, hört man aus den Abgeordnetenbüros der SPD. Als Wadenbeißer einerseits und Strippenzieher andererseits sei er erfolgreich gewesen – als Minister aber brauche er andere Qualitäten. Die Einarbeitung in Verwaltungsabläufe sei nicht seine Sache. „Aktenfressen“ liege ihm nicht.

Dabei war die Personalie Glos selbst von einigen Mitgliedern der SPD-Fraktion anfangs gar nicht so negativ aufgenommen worden. Die Perspektive: Nach Werner Müller (parteilos) und Wolfgang Clement (SPD) kam endlich ein Wirtschaftsminister, der nicht von der Kohlelobby sozialisiert worden war. Das versprach neue Impulse für die Energiepolitik. Doch nun zeigt sich Glos wenig flexibel – möglicherweise auch deshalb, weil sein Beamtenapparat noch „in der Logik der Kohlelobby tickt“, kritisieren Abgeordnete.

Bislang galt Michael Glos als zu professionell, um als politischer Versager dastehen zu wollen. „Aber auf Dauer“, sagt ein Abgeordneter, „kann das nicht gut gehen.“ BERNWARD JANZING