Die Frankfurt-Korrespondentin, Tierexpertin und Gerichtsreporterin der taz wird 60 – und ist seit 25 Jahren dabei
: Heide Platen – ein Hoch auf einen gelassenen, qualmenden Profi

Das – verschmitzte – Lächeln der Heide Platen. Es taucht immer dann auf, wenn ihr eine Passage in einem Text über große und kleine Tieren oder in einer Gerichtsreportage besonders gut gelungen ist. Dann haut sie wieder mit Verve in die Tasten der „Maschine“ (Platen) und ist durch nichts mehr abzulenken. Da müssten schon in Biblis alle Reaktorsicherungen durchgebrannt sein und Evakuierungstruppen versuchen, die Redaktionstür zu zertrümmern.

Meine liebste Kollegin – und das ist sie nicht nur, weil sie hier in der kleinen Redaktion in Frankfurt am Main meine einzige ist – bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Außer „Hype“ um ihre Person. Oder gar Anfragen nach Auftritten im Fernsehen. Da geht sie schnell stiften. Aktuell bis nach Spanien.

Heute nämlich wird die bei allen Kolleginnen und Kollegen wegen ihrer Grundfreundlichkeit und ihres trockenen Humors so beliebte wie wegen ihrer hoch professionellen Arbeitseinstellung geschätzte „Edelfeder“ Heide Platen 60 Jahre alt. Die Reporterin und Korrespondentin ist die erste Frau im Blatt, die diese Grenze zur Alterspubertät überschreitet. Nur Christian Semler und Mario Hentschel vom Archiv sind ihr voraus geeilt. Wäre sie da, könnte sie ihr 25-jähriges Arbeitsjubiläum gleich mit feiern.

Aber sie ist ja auf der Flucht. Mit ihrem – nach Jahrzehnten ideologisch unterfütterter „wilder Ehe“ – spät noch erheirateten Mann hat sich Heide in ihr Häuschen in Katalonien zurückgezogen. Wandern, Rosen pflegen, Frösche durchzählen – und abends gratinierte Muscheln: Das sind ihre späten Passionen. Und nicht zu vergessen die schon ältere Leidenschaft für Kriminalromane. Die schleppt sie kiloweise mit in die Ferien. Noch hat sie selbst keinen Krimi geschrieben. Aber ein erfolgreiches Buch zum Kriminalfall Weimar. Und ein noch erfolgreicheres „Rattenbuch“. Und zuletzt die gebundene Viecherei: „Mensch, Tier!“

Überhaupt, die Tiere. Dem Nacktmull verhalf sie zu Weltruhm. Die gar nicht „blöde Ziege“ hat sie rehabilitiert. Und zuletzt dem vogelvergrippten Schwan ein Denkmal errichtet. Ihre Gerichtsreportagen sind legendär; nur ganz wenige können ihr da das Wasser reichen.

Ihren geliebten Beruf erlernte die Niedersächsin in der Autostadt Wolfsburg Mitte der 60er-Jahre als Volontärin beim Lokalblatt – nach einer Lehre als Schaufenstergestalterin und einer Kurzkarriere als Handballerin. Nach grandios gescheiterter erster Ehe und mit zwei kleinen Kindern siedelte sie nach Frankfurt am Main über und zog auch gleich in ein besetztes Haus ein. Ganz oder gar nicht eben. Diesem Motto ist sie bis heute treu.

Schnell in der linken Spontiszene heimisch geworden, arbeite sie zunächst für den Evangelischen Pressedienst (epd) und dann für den Informationsdienst für unterbliebene Nachrichten (ID), ehe sie 1981 zur damals noch gut besetzten Frankfurter Redaktion der taz kam. Für ein Jahr in den Vorstand gewählt, setzte sie 1987 mit die Betriebsrentenverträge für taz-Mitarbeiter durch. Das ist jetzt ein Segen. „So nebenbei“ erzog sie ihre Kinder ganz allein zu anständigen Menschen.

Gelassenheit bleibt ihr Markenzeichen. Ein Exempel, dem nachzueifern ich mich vergeblich bemühe. So richtig aufregen kann sich Heide nur über die grundlegenden Dinge des Lebens: schlechtes Essen und schlechtes Benehmen. Und über schlecht redigierte Artikel von ihr im Blatt. Montag kommt sie zurück. Ich freue mich schon auf ihr Lächeln am Schreibtisch gegenüber. Und dass sie beim Hämmern auf dem PC erst mal gar nicht merkt, dass noch ein paar Leute mehr anwesend sind und die Champagnerkorken knallen. Dann darf sie auch wieder qualmen wie ein Schlot – aber nur draußen auf der Terrasse!

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT