Nadelstich vor Weihnachten

LÖHNE Mitarbeiter bei Amazon streiken erneut, um für einen Tarifvertrag zu kämpfen. Der Versandhändler findet: „Ein Eisregen ist schlimmer“

BERLIN taz | Einige hundert Mitarbeiter beim Versandhändler Amazon sind am Montag in einen eintägigen Streik getreten, um für einen Tarifvertrag zu kämpfen. In Leipzig traten in der Früh- und Spätschicht insgesamt 400 Mitarbeiter in den Ausstand, sagte Jörg Lauenroth-Mago, Sprecher von Ver.di Sachsen. An den beiden Standorten in Bad Hersfeld legten nach Gewerkschaftsangaben rund 300 Beschäftigte die Arbeit nieder.

Die Zahlenangaben fielen allerdings unterschiedlich aus: Amazon sprach von deutlich weniger Streikenden als die Gewerkschaft. Mit den Ausständen wollen die Mitarbeiter Verhandlungen über Tarifverträge erzwingen, wie sie im Einzelhandel üblich sind. In diesem Jahr traten sie schon mehrmals in kurze Streiks.

Der US-Konzern nimmt die Logistikbranche als Maßstab für seine Entgelte. Dort werden vielerorts niedrigere Löhne als bei Amazon gezahlt. Nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit etwa gelte im Zentrum in Leipzig ein Stundenlohn von 10,99 Euro brutto, sagte Lauenroth-Mago. Ver.di fordert für diese Entgeltgruppe 11,37 Euro, außerdem Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ein Weihnachtsgeld wurde den Amazon-Mitarbeitern jetzt zwar gewährt, das liege aber unter den im Tarif üblichen Sätzen, so der Ver.di-Sprecher.

Die Streiks sollen auch in der Adventszeit punktuell weitergehen. „Wir werden im Weihnachtsgeschäft immer wieder Nadelstiche setzen“, kündigte Laurenroth-Mago an. Wann und wo genau weitergestreikt wird, war aber am Montag noch nicht klar.

Beim weltweit größten Internetversandhändler gibt man sich angesichts der punktuellen Streiks in Deutschland allerdings gelassen. Die Streiks hätten „keine Auswirkungen auf den Versand“, sagte ein Sprecher von Amazon in München der taz. Käme es in einem der Verteilzentren zu Engpässen, könne man gegebenenfalls die Kunden auch von einem anderen Standort aus beliefern. „Ein Eisregen auf der Straße ist für die Logistik schwieriger zu handhaben als ein Streik“, sagte der Amazon-Sprecher.

Nicht ganz so gelassen reagierte Dave Clark, Logistik-Chef für Deutschland, auf mögliche Ausstände in der Adventszeit. Ver.di drohe damit, „das Weihnachtsfest für Kinder zu ruinieren“, klagte Clark der Zeitung Die Welt. Der Versandhändler verfügt an seinen acht Logistik-Standorten und mehreren Kundenservice-Zentren insgesamt über 9.000 festangestellte Vollzeitkräfte. Hinzu kommen in der Weihnachtszeit noch 14.000 SaisonarbeiterInnen.

BARBARA DRIBBUSCH