Privatisiertes Kunst-Schlaf-Depot

Elf internationale Künstler zeigen in Dortmund während der Fußball-WM wie künstlerisches Regenerieren aussehen kann. Ihre Installationen in standardisierten Parzellen können über Nacht als „private Hotelzimmer mit Frühstück“ getestet werden

VON PETER ORTMANN

In Nordrhein-Westfalen hat öffentliches Schlafen Tradition. 2002 rief Claudia Bosse bei „Theater der Welt“ (Intendant: Matthias Lilienthal) zur horizontal-aktionistischen Handlung auf: „Verlassen Sie ihren Arbeitsplatz und schlafen Sie am Rhein!“ Auf 600 Metern lagen dafür 99 Strohballen nebst Decke und Leselampe unter einer Brücke bei Düsseldorf. Um Mitternacht gab es kostenlos Essen, Lesungen und Diskussion um Schlafen, Arbeit und Stadtentwicklung.

2004 auf dem grünen Hügel. Die Stadtfürsten von Recklinghausen in heller Aufregung: Intendant Frank Castorf hatte während der Ruhrfestspiele einen bunten, kommunikativen Schlafsaal mitten im Festspielhaus eingerichtet. Jedes Bett war liebevoll dekoriert. Für lau konnte jeder nach dem Theaterbesuch dort bleiben, Tischfußball oder Billard spielen, übers Theater diskutieren oder um Mitternacht in der Jonathan Meese-Bar abstürzen. Doch die Honoratioren fürchteten, Obdachlose könnten das reizvolle Angebot nutzen.

2006 ist nun das Jahr der Übernachtung in Großsteingräbern (Dormen): Während der Internationalen Bauausstellung (IBA) wurde in Dortmund ein Straßenbahndepot der städtischen Verkehrsbetriebe zu einem Kulturzentrum mit Theater umrestauriert. Dort arbeiten heute Künstler, Handwerker und Computerexperten zusammen. Das neueste Projekt heißt „dormART“, inspiriert von der Internationalität der Fußballweltmeisterschaft 2006 mit seiner Vielzahl von anreisenden Gästen und Fans. Seit gestern werfen dort elf KünstlerInnen einen künstlerischen Blick auf die Kultur des Schlafens. Sie kommen aus Korea, Indonesien, Zypern, Österreich, der Schweiz und Deutschland. Eröffnet hat die Ausstellung der Herforder MARTa-Chef Jan Hoet, der auch der Auswahl-Jury angehörte. Er zeigte sich von der Qualität der eingereichten Arbeiten begeistert.

Zu sehen sind die ausgewählten elf Werke, vom edlen Baumhaus bis zur spartanischen Notbehausung allerdings nur zehn Tage lang. Danach werden ihre 16-Quadratmeter-Installationen „privatisiert“. Für 95,00 Euro am Tag können Interessierte sie dann einen Monat lang als Hostel benutzen. Als Zielgruppe sind speziell Fußballfans anvisiert, die die Stadt bis Anfang Juli besuchen. Nach einem heißen Spiel im Westfalen-Stadion können sie etwa in Byungwang Chos koreanischer Sauna relaxen. Sein Raum „ZzimzilbangI“ eignet sich auch wunderbar zum Schwitzen.

Die Dortmunder Firma Ruhgebiet vermietet die Künstlerkojen. Die Idee in Hostels zu investieren kam Thomas Freyer und Andreas Kretschmer nach einem Irlandurlaub. Was in anderen Ländern zum Übernachtungs-Standard gehört, hat sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt. Vielleicht eine Marktlücke. Die Übernachtung in den Depot-Installationen sehen die beiden eher als Werbung: Sie erhielten lediglich ein Drittel des Übernachtungs-Preises und das decke gerade die Unkosten. Den Rest nutzt der gemeinnützige Depot-Verein zur Refinanzierung der gesponserten Aktion. Die Künstler erhalten von den Einnahmen – nichts.

www.dormart.de