Nix mit Hosen runter

Datenschützer schlagen Alarm: Die geplante Verschärfung der Hartz-Gesetze verletzt die Rechte von Arbeitslosen. Hausbesuche und Telefonbefragungen nur mit Zustimmung der Betroffenen möglich

VON ANDREAS WYPUTTA

Die von der großen Koalition im Bund geplante Verschärfung der Hartz-Sozialreformen verstößt nach Ansicht der nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten Bettina Sokol gegen geltende Gesetze. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gelte auch für diejenigen, „die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind“, schreibt Sokol in einem gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und fast aller Länder verfassten Brandbrief.

Die von der Bundesregierung vorgesehene „exzessive Datenerhebung“ sei „datenschutzrechtlich nicht hinnehmbar“, so die Datenschutzbeauftragten in ihrer gestern veröffentlichten Erklärung, der sich lediglich die Datenschützer Hessens nicht angeschlossen haben.

In der Kritik steht etwa die Umkehr der Beweislast von Wohngemeinschaften: Nach den Plänen von CDU und SPD sollen diese künftig selbst nachweisen müssen, dass es sich nicht um so genannte „eheähnliche Gemeinschaften“ oder „homosexuelle Lebensgemeinschaften“ handelt – Menschen in solchen Beziehungen sind nach den Hartz-Gesetzen gegenseitig unterhaltspflichtig. Wie dieser Nachweis in der Praxis aussehen könne, sei aber „unklar“, kritisieren die Datenschützer: „Betroffene könnten sich genötigt sehen, zum einen ihre Hilfebedürftigkeit Mitbewohnerinnen oder Mitbewohnern und damit Dritten zu offenbaren, zum anderen deren sensible Daten preiszugeben.“

Die von CDU-Kanzlerin Angela Merkel und ihrem SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering gewünschten Hausbesuche von Langzeitarbeitslosen, die zur Überprüfung der Bedürftigkeit dienen sollen, könnten sogar gegen das Grundgesetz verstoßen. Diese Besuche seien wegen des durch Artikel 13 des Grundgesetzes „geschützten Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nur mit vorheriger Zustimmung der Betroffenen möglich“, schreiben die Datenschützer. Der Gesetzgeber müsse „ausdrücklich“ klarstellen, dass die Außendienstmitarbeiter der Bundesagentur „kein Recht zum Betreten haben“. Auch die Teilnahme an Telefonbefragungen durch die Arbeitsverwaltung sei nach geltender Rechtslage freiwillig.

In ersten Reaktionen zeigten sich Vertreter der Opposition im Düsseldorfer Landtag alarmiert. „Hartz macht die Opfer von Arbeitslosigkeit zu potenziellen Tätern“, warnt nicht nur Barbara Steffens, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen. Auch SPD-Landtagsfraktionsvize Rainer Schmeltzer mahnt, der Bundestag müsse die Bedenken „sehr, sehr ernst nehmen“. Arbeitslose dürften nicht „unter Generalverdacht“ gestellt werden. Um die explodierenden Kosten durch Hartz einzudämmen, sei ein Mindestlohn nötig – immer mehr Geringverdiener beziehen aufstockendes Arbeitslosengeld II. „Die Hartz-Gesetze sind flächendeckender Kombilohn.“