Proteste weiten sich aus

THAILAND Demonstranten besetzen weitere Ministerien, gegen ihren Anführer wird Haftbefehl erlassen. Opposition will Misstrauensvotum

Sollte die Regierung die Proteste nicht bald beenden, ist ein neuer Militärputsch denkbar

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Es sind am Morgen müde aussehende Demonstranten, die im Innenhof des Außenministeriums hocken, Reissuppe schlürfen und nur mit halbem Ohr den Propagandareden aus dem Lautsprecherwagen lauschen. In der Nacht zuvor hatten sie ein Tor zum Ministerium aufgebrochen, waren aufs Gelände gestürmt und hatten dort campiert. Seit Montag haben die Regierungsgegner eine Reihe von Ministerien besetzt oder umzingelt: Auf diese Weise wollen sie den Druck auf die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra erhöhen.

Yingluck reagierte in der Nacht zu Dienstag: Das interne Sicherheitsgesetz, das angesichts schon vor Wochen begonnener, wenn auch kleinerer Proteste, schon für einige Distrikte Bangkoks gilt, dehnte sie auf die gesamte Hauptstadt sowie umliegende Provinzen aus.

Am Dienstag wurde gegen den Anführer der Proteste, Suthep Thaugsuban, Haftbefehl erlassen. Er solle die Demonstrationen abbrechen, sonst drohe ihm nach dem Beschluss des zuständigen Strafgerichts die Festnahme, so die Polizei. Doch offensichtlich denken weder Suthep, ein ehemaliger Vizepremier der früheren Regierung der heute oppositionellen Demokratische Partei, noch seine Mitstreiter ans Aufgeben.

Für Mittwoch kündigte ein Sprecher der Demonstranten vielmehr an, die Aktionen sollten auf das ganze Land ausgedehnt werden.

Aus dem Ausland kommen besorgte Stimmen: So riefen die USA dazu auf, von politischer Gewalt abzusehen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mahnte, Eskalationen zu vermeiden und Meinungsverschiedenheiten friedlich zu lösen.

Die oppositionelle Demokratische Partei strengte derweil im Parlament eine Misstrauensdebatte gegen die Yingluck-Regierung an. Oppositionsführer Abhisit Vejjajiva warf ihr Verschwendung von Steuergeldern vor. Der Umstand, dass den Reisbauern für ihre Ernten Preise deutlich über Marktwert garantiert würden, habe den Staatshaushalt seit Amtsantritt der Regierung im Sommer 2011 etliche Milliarden gekostet.

Tatsächlich aber geht es der Oppositionspartei darum, am Sturz der Regierung mitzuarbeiten. So wurden führende Köpfe der Demokraten, die zuvor zum Schutz der Partei demonstrativ von ihren Parteiführungsposten zurückgetreten waren, auf Bühnen der Anti-Regierungs-Demonstranten gesehen. Kritiker merkten süffisant an, dass es merkwürdig sei, dass ausgerechnet die Demokratische Partei den Schlagabtausch im Parlament suche. Schließlich würden die Protestführer auf der Straße nicht müde zu betonen, dass ein parlamentarisches System und Wahlen nach dem Prinzip „Ein Mann, eine Stimme“ wegen Korruption und Stimmenkaufs in Thailand nicht funktionierten.

Angesichts der verhärteten Fronten stellt sich die Frage, wie sich das Militär verhalten wird, das Thaksin 2006 gestürzt hatte. Die Bangkok Post zitierte einen Armeesprecher mit den Worten, Armeechef Prayuth Chan-ocha beobachte die Proteste genau. Prayuth, der 2011 noch unverhohlen eine Wahlempfehlung für die Demokratische Partei abgegeben hatte, schien sich seitdem mit Yingluck arrangiert zu haben. Sollte sich ihre Regierung jedoch als unfähig erweisen, die Proteste bald zu beenden, halten Beobachter einen neuen Militärputsch für denkbar.

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