Platte Pixis

Die Hamburgerin Antje Steffen hat schon vieles gemacht, von einer Schuh-Rate-Show im Offenen Kanal bis hin zu Kunst in Schrebergärten. Seit Neuestem ist sie Autorin und Verlegerin und hat drei Kinderbücher im Pixibuchformat herausgebracht – auf Platt

Heute stehen die „lüttjen Böker“ in vielen Buchhandlungen, in Hamburg auch in Szeneläden

Von Inken Schröder

Das Telefon klingelt, innerhalb von einer Stunde schon die dritte Bestellung. „Oft rufen auch Leute an und bestellen ein oder zwei Bücher nach“, sagt Antje Steffen. Doch auch das freut die Platt-Literatin aus der Neubausiedlung Neu-Allermöhe am südöstlichen Hamburger Stadtrand. Denn was sie dabei immer wieder hört: Die Leser sind begeistert von den „lüttjen Bökern“ („kleine Bücher“), die die 38-Jährige vor zwei Monaten auf den Markt brachte. Sie heißen „Regenleed“ („Regenlied“), „Lüttje Gries“ („Kleine Möve“) und „Kannst du Riemels maken“ („Kannst du reimen“).

Die Liebe zum Plattdeutschen und zu Büchern erklärt sich aus Antje Steffens Biografie: Aufgewachsen ist sie im tiefsten Dithmarschen – dort, wo viele Menschen noch heute selbstverständlich Platt sprechen. „Platt“, sagt sie, „ist meine Muttersprache.“ Ihre Eltern besaßen einen Gemischtwarenladen, zu dessen Sortiment auch Pixibücher zählten: „Wenn eine neue Lieferung kam, haben meine Schwestern und ich die Kartons sofort aufgemacht, alle Bücher durchgelesen und wieder zurückgestellt.“

Später kam die Lust dazu, Neues auszuprobieren. Nach kurzem Zwischenstopp in Berlin zog Steffen nach Hamburg, studierte Kulturwissenschaften und beteiligt sich bis heute an verschiedensten Projekten. Mal ist sie Bühnenbildnerin, mal produziert sie eine Show im Offenen Kanal. Dabei hat sie viele Leute kennen gelernt – darunter die Künstler, die ihre Bücher so liebevoll illustriert haben. „Die Idee mit den plattdeutschen Kinderbüchern hatte ich zum ersten Mal vor ungefähr sechs Jahren, als ich meinem Sohn Platt beibringen wollte und keine Kinderbücher fand, die mir gefielen.“

Antje Steffen sitzt auf dem Boden ihres Wohnzimmers und kramt in einer Kiste mit plattdeutschen Büchern. Wenn aus dem Traum vom Landleben schon nichts wurde, so sollte der Sohn zumindest Platt lernen: „Wir wohnten damals mitten in St. Pauli, ich wollte am liebsten auf ‘nen Resthof“, berichtet sie. Herausgekommen ist ein Reihenendhaus im Hamburger Speckgürtel. „Wir fühlen uns hier wohl“, sagt Steffen. Sie ist barfuß, trägt Jeansrock und ein gestreiftes T-Shirt.

Obwohl die Schleswig-Holsteinerin noch heute mit ihren Eltern und Schwestern nur Platt spricht, hatte sie eigentlich nicht vor, die Bücher selbst zu schreiben. „Ich hab’ Autoren gesucht, aber auf meine Aushänge an Unis, in denen Platt unterrichtet wird, hat sich keiner gemeldet.“ Mit einem fertigen Büchlein in der Tasche plus einem Konzept, das die Bedeutung von plattdeutscher Literatur auch wissenschaftlich untermauerte, machte sie sich auf Verlagssuche – erfolglos. Die Begründung für die Ablehnung war stets dieselbe: schönes Projekt, aber nicht lukrativ. Also hat sie den „Antje Steffen Verlag“ gegründet und sich durch die Sparkassenstiftung finanzielle Unterstützung geholt. „Und eines Tages kam dann ein Laster“, die Neu-Verlegerin zeigt auf ihr kleines Stückchen Vorgarten, „und lud hier vorne die Paletten mit 9.000 Büchern ab.“

Auch den Vertrieb erledigt Steffen selbst. Das Konzept: „Die Bücher sollten bei jedem Bäcker und an jedem Kiosk stehen. In jeder Hinsicht niedrigschwellig.“ Die plattdeutschen Pixibücher sollen günstig sein, die Texte einfach, ohne Angst vor dem Kulturgut Buch. So wie früher die Pixibücher im Tante-Emma-Laden ihrer Eltern.

Am Anfang war es mühsam. „Ich hab’ Kisten ins Auto gepackt und bin über Land gefahren, von Büsum bis Ahrensburg“, sagt sie. Viele der Bäckereien, die sie mit Büchern belieferte, gehörten zu Ketten, dann musste erst der Chef da sein. Bei anderen fand sich kein geeigneter Platz. Doch die Touren haben sich gelohnt. Heute stehen ihre „lüttjen Böker“ in vielen Buchhandlungen Schleswig-Holsteins, in Hamburg auch in Szeneläden. Und demnächst im Ohnsorg-Theater. Wenn die Hälfte der Auflage weg ist – ein Drittel ist bereits verkauft – gibt es drei neue Bücher: „Eine Lüttje-Gries-Geschichte wird auf jeden Fall dabei sein“, verrät sie. Die kleine Möwe hat sich als Anchorman etabliert – nicht nur, weil dieser Titel sich am besten verkauft, sondern auch, weil die Moral dieser Geschichte dem entspricht, was Antje Steffen mit „plattdeutscher Mentalität“ verbindet. „Mal ist Lüttje Gries ein Angeber und macht auf dicke Hose, gleichzeitig ist er aber auch ‘ne Bangbüx. Und trotzdem ist das okay“, erklärt sie. „Er wird nicht verurteilt, man lässt ihn so, wie er eben ist.“

So sieht die Autorin wider Willen die Menschen im ländlichen Norden, irgendwo zwischen Gleichmut und Toleranz. Eines allerdings hat sie mit ihren Büchern nicht erreicht: Sohn Jim ist mittlerweile 13 Jahre alt, aber Platt redet er nicht.

Kontakt: Antje Steffen, antjesteffen@t-online.de, Tel. 040-436957