Fahrraddiebe werden müde

Zur Fahrradsternfahrt schwingen sich am Sonntag wieder Zehntausende in die Sättel. Ein Problem der Fahrradfans ist schon kleiner geworden: In der Stadt werden immer weniger Räder geklaut

von SILKE KOHLMANN

Dreck hilft. Ungeputzte Fahrräder werden seltener geklaut als blitzblanke Drahtesel. Aber auch andere Maßnahmen sind nützlich: Wer sein Rad am Rahmen und an feste Gegenstände anschließt und ein gutes Schloss verwendet, schützt es meist wirksam vor Fahrraddieben.

Vielleicht liegt es an der größeren Vorsorge: Im vergangenen Jahr wurden in Berlin weniger Fahrräder gestohlen als in den Jahren zuvor. Mit 19.497 geklauten Rädern ist ein Rückgang um 12,8 Prozent gegenüber 2004 zu verzeichnen – und ein Tiefststand der letzten zehn Jahre, so verzeichnet es die polizeiliche Kriminalstatistik für 2005.

Aber: Auch die Aufklärungsquote ist zurückgegangen. Nur 3,8 Prozent der Bestohlenen bekamen 2005 ihr Rad zurück. In den Jahren zuvor lagen die aufgeklärten Fälle bei gut 5 Prozent. Warum die Quote gefallen ist, kann die Polizei nicht sagen. Ihr entgegenwirken will sie gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club durch eine Markierung von Fahrrädern.

Wir bieten eine Codierung mit einer persönlichen Nummer an, bestehend aus dem Geburtsdatum und den Initialen“, erklärt Benno Koch, Landesvorsitzender des Berliner ADFC. „Mit dieser Maßnahme wollen wir die Aufklärungsquote nach oben treiben.“ Ein codiertes Rad sei schwer zu verkaufen, erklärt Koch. „Die Eigentumsverhältnisse können leicht anhand eines Personalausweises nachgeprüft werden.“ Will ein Hehler ein codiertes Rad verkaufen, wird ihm das schwerer gemacht: Er muss den Code abschleifen oder kann nur die Anbauteile auf den Schwarzmarkt bringen.

Diesem Risiko will sich der Berliner Andreas Borutta nicht aussetzen. Er setzt weit drastischere Mittel gegen Fahrraddiebe ein. Auf seiner Internetseite gibt der Alltagsradler und Umwelttechniker Anregungen „zur Vermeidung äußerlicher Attraktivität eines Fahrrades“. Von Lackfarbe über Heißkleber und Sektkorken bis hin zu Hühnerfedern eigne sich alles, den Hehlern den Fahrradklau zu vermiesen, so Borutta. Sein Ziel: „Für kein Teil des Fahrrads soll ein Hehler auf dem Schwarzmarkt mehr als fünf Euro erzielen können.“

Als er vor vielen Jahren mit seinem hochwertigen Reisefahrrad nach Berlin kam, habe er sich überlegt: „Was kann ich tun, um mein Rad so unattraktiv wie möglich zu machen?“ Er bekleckste es mit Farbe, umwickelte es mit Kreppband und Draht, verzierte es mit Federn. „Inzwischen steht das Rad schon seit 17 Jahren jeden Tag vor dem Haus auf dem Gehweg.“ Klauen wollte es niemand, bestaunt wird es allemal. „Den Fahrradfetischisten treibt mein Rad die Tränen in die Augen.“ Nachahmer seiner Idee hat Borutta noch nicht getroffen. Er kann es verstehen: „Ich hätte auch gerne ein schönes Fahrrad, aber die Benutzung ist mir doch wichtiger.“

Und auch andere Berliner haben kreative Ideen, um den Fahrraddieben die Arbeit zu erschweren: Wilfried Lippke vom Berliner Fahrradladen „Fahrrad und Technik“ hat auf seiner Homepage eine Liste gestohlener Fahrräder. Wem ein Fahrrad geklaut wird, kann die Daten dort eintragen; wem ein gebrauchtes Rad angeboten wird, nachsehen, ob es dort als gestohlen gemeldet wurde. Gibt er dem Bestohlenen eine Nachricht, winkt meist eine Belohnung. „Auf die Idee zu dieser Liste kam ich, als mir selbst ein Fahrrad gestohlen wurde“, beschreibt Lippke. Sein eigenes hat er nicht wiederbekommen. Aber seine Liste hat einigen Beklauten geholfen, ihr Fahrrad zurückzubekommen. Über die genaue Aufklärungsquote hat aber auch Lippke keinen Überblick.