Umdenken beim Fahrradverkehr

Der Fahrradbeauftragte des Senats sieht deutliche Verbesserungen für die Nutzer der Zweiräder. Die Zahl der im Verkehr getöteten Radler ist im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Ein Grund: Radler rollen sichtbar auf der Straße

Radspuren auf die Fahrbahn zu verlegen – das fordert der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) schon lange. Denn: Die Wahrscheinlichkeit, in einen Unfall verwickelt zu werden, ist für einen Radler auf dem Radweg dreimal so hoch wie auf der Fahrbahn – das ergeben regelmäßig durchgeführte Unfalluntersuchungen. Der Grund ist einfach: ein Radfahrer, der auf der Straße mit dem Autoverkehr mitfährt, wird von den Kraftfahrern wahrgenommen. Und wen man im fließenden Verkehr wahrnimmt, mit dem rechnet man auch an Kreuzungen und Einmündungen.

„75 Prozent aller Fahrradunfälle passieren durch den Zusammenprall mit einem Auto“, erklärt Benno Koch, Chef des Berliner ADFC und Fahrradbeauftragter des Senats. Die Unfälle ereigneten sich insbesondere beim Rechtsabbiegen: Hier befindet sich der Radfahrer auf dem Radweg häufig im „toten Winkel“ des Autofahrers.

Allerdings hat Koch auch eine gute Nachricht: „In Berlin hat beim Thema Radverkehr ein Umdenken stattgefunden. Die Tendenz ist da, Radspuren verstärkt auf die Fahrbahn zu verlegen“, lobt Koch. Insgesamt werde Radfahren in Berlin immer sicherer: „Radfahrer haben ein geringeres Unfallrisiko als Autofahrer.“ Die Untersuchungszahlen der Berliner Polizei bestätigen Koch: Radfahrer haben einen Anteil von etwa zehn Prozent am Berliner Verkehr, Fahrradunfälle machen dagegen nur viereinhalb Prozent der gesamten Unfälle im Straßenverkehr der Stadt aus.

Und dennoch: 6.606 Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung verzeichnet die Polizei 2005 in Berlin. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 8,49 Prozent. Koch erklärt: „Wir gehen davon aus, dass mehr Menschen Rad fahren. Das bedeutet dann eben auch einen Anstieg der Unfallzahlen.“ Zudem sei die Zahl der schweren Unfälle tendenziell rückläufig. Auch hier bestätigen ihn die Statistiken: 2005 wurden im Berliner Straßenverkehr sieben Radfahrer getötet, im Jahr zuvor waren es 11, 2003 sogar 24.

Der ADFC sieht die Schuld an Unfällen der Radfahrer aber nicht allein bei den anderen Verkehrsteilnehmern. Radfahrer benutzten häufig die falschen Wege, etwa den Bürgersteig, oder führen in entgegengesetzter Richtung. Kochs Appell an die Radler: „Sichtbar fahren, die Fahrbahn ist die sichere Alternative. Und: Vorsicht bei alten und beschädigten Fahrbahnbelägen.“

Die Rahmenbedingungen sowohl für Freizeitradler als auch für diejenigen, die das Rad als Verkehrsmittel verwenden, hätten sich erheblich verbessert, fasst Koch zusammen. „Wir machen einen grundlegenden Wandel in der Verkehrspolitik des Landes aus.“ Im Jahr 2000 sei für den Radverkehr ein eigener Haushaltstitel eingeführt worden: 1,5 Millionen Euro stellt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung inzwischen jährlich für den Ausbau und den Erhalt des verzweigten Radwegnetzes zur Verfügung.

Und auch neue Konzepte sollen verwirklicht werden: 660 km Radroute werden zukünftig durch Berlin führen. Zur Wannseeroute vom Schlossplatz zur Glienicker Brücke, die im Frühling 2005 eröffnet wurde, sollen in diesem Jahr weitere hinzukommen. Und auch die Langstreckenradler können sich freuen: die Radfernwege Berlin–Usedom und Berlin–Kopenhagen sind in Teilen bereits ausgebaut.

Um 50 Prozent soll der Radverkehr in der Hauptstadt in den nächsten Jahren wachsen, so das Ziel, das ADFC und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gemeinsam verfolgen. „Die Bedingungen müssen so verbessert werden, dass die Menschen Lust haben, Rad zu fahren“, fordert Koch. Er sieht Berlin auf gutem Weg. SILKE KOHLMANN