Papst in Polen: Jetzt wird zurückgesegnet

Deutscher Papst siegreich bei seinem Besuch in Polen. Benedikt XVI. knüpft an das Motto von Johannes Paul II. von 1979 an: „Fürchtet euch nicht“ – auch nicht vor ihm selbst – und wendet es vom damaligen Kampf auf die Erfolge der Gegenwart an

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Als das weiße Papamobil gestern Morgen auf den Warschauer Pilsudski-Platz einbog, goss es in Strömen. Die meisten Gläubigen harrten da schon seit Stunden im Regen aus. Manchen waren mit Klappstühlen, Regencape und Thermoskanne schon um drei Uhr früh gekommen, um sich den besten Platz für die erste große Freiluftmesse von Papst Benedikt XVI. in Polen zu sichern. Die Hochrufe klangen etwas matt, und auch das Fähnchenschwenken im strömenden Regen ließen die meisten Gläubigen schnell sein. Fröstelnd drängten sie sich unter Regenschirmen zusammen.

Als die Messe vor dem 25 Meter hohen Kreuz begann, verstummten die Gespräche. Nach den ersten noch mit lautem Klatschen honorierten Worten des Deutschen in polnischer Sprache stieg die Spannung ins fast Unerträgliche. Dass Benedikt XVI. an die historischen Predigtworte seines Vorgängers Johannes Paul II. von 1979 anknüpfte, steigerte nur noch die Aufmerksamkeit. „Fürchtet euch nicht! Möge der Heilige Geist herabkommen und das Antlitz dieser Erde verändern“, hatte der polnische Papst damals gesagt. „Und es ist geschehen“, fügte sein deutscher Nachfolger an. Die Welt habe sich seither stark verändert. Die Polen hätten die Freiheit errungen und ihre Würde zurückerhalten. So wie nach ihnen viele andere unterdrückte Nationen. Dies ein Grund zur Freude und zur Dankbarkeit.

Mit diesen Sätzen wandte sich Benedikt XVI. ganz klar gegen diejenigen Politiker, Intellektuellen und Geistlichen, die die letzten 15 Jahre als angeblich verlorene Zeit am liebsten aus dem Gedächtnis streichen wollen. Im Gedenken an Johannes Paul II., der diesen Reformprozess mit ermöglichte, sollten die Polen zu den Wurzeln zurückkehrten: „Bleibt stark im Glauben!“ Unter diesem Motto steht die gesamte Pilgerreise Benedikt XVI. in Polen. Er will den katholischen Gläubigen – wie es Johannes Paul II. 1979 getan hat – neues Selbstvertrauen geben.

„Starke Worte“ – so hatte bereits am Tag zuvor ein polnischer Kommentator die erste Ansprache Benedikt XVI. gewürdigt. In der St.-Johannes-Kathedrale hatte der Papst vor rund 1.000 Geistlichen ein Schlüsselproblem der katholischen Kirche Polens angesprochen und den Lösungsweg vorgezeichnet: Egal ob es sich um Stasi-Verstrickungen oder andere Verfehlungen einzelner Priester handle – die Wahrheit müsse ans Licht. Doch diejenigen, die gefehlt hätten, sollen nicht ausgestoßen oder unerbittlich bestraft werden, sondern auf Barmherzigkeit hoffen dürfen.

Auch auf dem Pilsudski-Platz fielen klare Worte: gegen moralischen Relativismus und subjektiv-selektive Bibelinterpretationen. Die meisten Zuhörer empfanden dies als Warnung vor dem Buch Dan Browns „Das Sakrileg“. „Echt deutsch“, lachte ein Gottesdienstbesucher darüber, als endlich die Sonne wieder rauskam. „Diese Prinzipienreiterei. Aber – überlegen kann man es sich ja mal. Und ein bisschen Recht hat er sicher auch.“

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