Ex-Enron-Chefs droht lebenslange Haft

Der Prozess um den bislang größten Wirtschaftsskandal in den USA endet mit einem klaren Schuldspruch

WASHINGTON taz ■ Einst waren sie die Dot.com-Stars der Wall Street. Heute müssen sich Jeffrey Skilling und Kenneth Lay darauf gefasst machen, den Rest ihres Lebens hinter Gittern zu verbringen. Im Houstoner Prozess um den spektakulären Zusammenbruch des US-Energiekonzerns Enron sind die beiden früheren Firmenchefs in allen Hauptanklagepunkten schuldig gesprochen worden. Das Urteil sende eine klare Botschaft an alle Manager und Aktiengesellschaften, dass Wirtschaftskorruption in den USA nicht toleriert werde, darin waren sich Vertreter der US-Regierung und Kommentatoren einig. Über das Strafmaß soll erst am 11. September entschieden werden, beiden drohen langjährige Gefängnisstrafen.

Lay und Skilling haben in ihrer Zeit als Führungskräfte bei Enron gelogen und betrogen – zu diesem Schluss waren die zwölf Geschworenen nach einwöchiger Beratung gekommen. Die Jury sah es als erwiesen an, dass sich Skilling aufgrund von Insiderwissen über die Finanzmisere des einst siebtgrößten US-Konzerns mit Aktienverkäufen bereichert hatte. Skilling wurde in 19 Anklagepunkten des Betrugs, der Verschwörung, des Insiderhandels und der Falschaussagen schuldig gesprochen. Der 52-Jährige muss sich auf maximal 185 Jahre Gefängnis gefasst machen. Kenneth Lay wurde in allen sechs Anklagepunkten wegen Betrugs und Verschwörung schuldig gesprochen, womit dem 64-Jährigen eine Haftstrafe von bis zu 45 Jahren droht.

Aufgrund dieses Geschworenenurteils kann Richter Simeon Lake die beiden Angeklagten im September für Jahrzehnte ins Gefängnis schicken. Allerdings haben ihre Anwälte bereits angekündigt, das Urteil anzufechten: „Wir haben den Kampf gerade erst begonnen“, sagte Skillings Verteidiger Daniel Petrocelli.

In dem Hauptverfahren hatten Lay und Skilling beharrlich ihre Unschuld beteuert. Beide versuchten, den geständigen Exfinanzchef Andrew Fastow für die Bilanzierungstricks und Gewinnmanipulationen verantwortlich zu machen. Schuld an der Enron-Pleite hätten habgierige Investoren und die Medien, die falsch berichtet hätten.

Fastow war in dem knapp vier Monate dauernden Prozess als Hauptzeuge der Anklage aufgetreten und hatte seine ehemaligen Chefs schwer belastet. Mit der spektakulären Enron-Insolvenz im Dezember 2001 verloren mehr als 4.000 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze, rund 28.000 Angestellte wurden in Mitleidenschaft gezogen, da Milliarden von Dollar aus ihren Pensionskassen verloren gingen. Anleger mussten mit ansehen, wie ihre Enron-Aktien von einstmals fast 90 Dollar bis auf wenige Cent abstürzten. Die Enron-Pleite und weitere US-Bilanzskandale führten zu dem Sarbanes-Oxley-Gesetz, das strengere Bilanzierungsregeln und härtere Kontrollen für börsennotierte US-Unternehmen brachte. „Heute hat die Gerechtigkeit gesiegt“, sagte der Republikaner Michael Oxley, der dem Gesetz den Namen gab. „Die Urteile helfen, ein dunkles Kapitel in der Geschichte der öffentlich gehandelten Firmen in Amerika zu schließen.“

Adrienne Woltersdorf

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