KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

Brigitte Werneburg

Thomas Ruff zeigt in der Galerie Johnen seine neue Serie „Photogramm“. Wie ein Photogramm aussieht und wie es entsteht, glauben wir zu wissen. Bei einem stets experimentierfreudig gelaunten Künstler wie Thomas Ruff aber trügt der Schein. Und damit wird der Umstand, dass jedes Bild einen ganz eigenen Stil und Kontext evoziert, nun wirklich spannend. Unmittelbar verständlich wirken nur zwei Bilder. Einmal scheint es, als seien bunte Kristalle und Juwelen auf das lichtempfindliche Fotopapier gelegt worden und das andere Mal Metallsiebe, was entsprechend an Bauhaus und Moholy-Nagy erinnert. Doch bei Thomas Ruff gibt es keine Kristalle und keine Metallsiebe, die in der Dunkelkammer auf dem Fotopapier herumgeschoben, beleuchtet und belichtet wurden. Seine virtuelle Dunkelkammer ist ein Computerprogramm, das er mit Wenzel S. Spingler, einem Spezialisten für 3-D-Visualisierung, entwickelt hat. Wie man damit Siebe und Kristalle aufruft, um sie als durchscheinende, dreidimensional schattenwerfende Objekte zu belichten, ist noch irgendwie vorstellbar. Wie aber adressiert und findet, also erfindet Ruff die anderen wundersamen Formen, die Kegel, Scheiben oder Spiralen samt ihren zarten Schatten und ihrer noch feineren Transparenz, mit denen er die Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts noch einmal so brillant durchbuchstabiert? (Bis 25. Januar, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Marienstr. 10)

Mit „Unseen Aspects of a City“, wie der Titel lautet, unter dem Elisabeth Neudörfl zwei 2013 entstandene, bislang nicht gezeigte Werkserien vorstellt, bleibt die Künstlerin ihrem fotografischen Konzept treu. Das lässt sich um so besser beobachten, als im Kinoraum der Galerie Wien Lukatsch die ältere Arbeit „Die Stadt“ (1998) zu sehen ist, eine digitale und interaktive Edition von S/W-Fotografien von Neubaugebieten, Grünanlagen, Baustellen etc. Hier, wie auch in den neuen Arbeiten „Buchstadt Leipzig“ und „Gladbeck“, seziert Neudörfl den urbanen Raum, indem sie ihn sozusagen visuell unkommentiert, also zufällig gewählt, ins Bild setzt. Dem Motiv der Mauer, des Bordsteins, der Straßenflucht oder der Hausecke kommt keine tiefere Bedeutung zu, als Teil des Stadtraums zu sein. Im Falle Leipzigs, Teil eines bestimmten, im Straßennamen manifesten Bedeutungsraumes zu sein. Denn die 68-teilige Serie basiert auf einer Liste Leipziger Straßen, die nach Buchdruckern, Verlegern und Buchhändlern benannt sind. Gerade weil sich der Straßenname in keiner Weise im Straßenbild niederschlägt, schaut man noch mal genauer auf den Sonnenfleck auf dem Trottoir. (Bis 25. Januar, Di.–Fr. 13–18, Sa. 12–18 Uhr, Schöneberger Ufer 65)