Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Mit „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ erreichte 1937 erstmals eine abendfüllende Zeichentrickproduktion die Kinos. Für den Produzenten Walt Disney war das seinerzeit ein großes Wagnis: Drei Jahre kostenintensive Produktionszeit lagen hinter dem Team, ohne dass man hätte voraussagen können, ob das Publikum dieses Novum wohl annehmen würde. Aus heutiger Sicht ist natürlich klar, dass Disney den richtigen Schritt gegangen war – die abendfüllenden Spielfilme machten seinen Namen über die Jahre weltweit zum Synonym für Zeichentrick. Kinderfilme sind die alten Disney-Produktionen trotz aller Familienfreundlichkeit jedoch nie gewesen, auch „Schneewittchen“ mit dem zuckersüßen Liebespaar und den Stachelbeerkompott liebenden Zwergen nicht – es ist die Definition von Kinderfilm, die sich über die Jahrzehnte hinweg verschoben hat. Zur Entstehungszeit fand man etwa die Figur der grausamen Königin für Kinder so bedrohlich, dass der Film in England erst für Jugendliche ab 14 Jahren freigegeben wurde – wohlgemerkt in Begleitung Erwachsener. (1.12., Bundesplatz-Kino)

Ebenfalls eines der großen Meisterwerke der Filmgeschichte ist Yasujiro Ozus „Tokyo monogatari“ (1953), eine Generationen-Geschichte um enttäuschte Erwartungen, in welcher der japanische Meisterregisseur unterschwellig auch das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne verhandelt. Ausgangspunkt der Story ist die Reise eines älteren Ehepaares nach Tokio, wo es zwei seiner bereits erwachsenen Kinder besuchen will. Schnell stellen die beiden alten Leute fest, dass sie allenfalls leidlich willkommen sind und niemand Zeit für sie hat. Umgekehrt fragen sich die beiden, ob aus den Kindern beruflich tatsächlich das geworden ist, was sie sich erhofft haben. Wie immer bei Ozu wird das Verhalten seiner Protagonisten nicht moralisch gewertet, vielmehr erscheint die Abnabelung der Kinder von den Eltern als Teil eines manchmal grausam erscheinenden Prozesses innerhalb des Lebenszyklus: Am Ende bleibt der älteren Generation nur die Einsamkeit. (OmU, 1.12., Arsenal 2, 3.12., Arsenal 1)

Wer schläft tagsüber, treibt sich dafür nachts auf den Dächern herum, hat Angst vor Hunden und futtert am liebsten Fisch? Nun, es ist natürlich „Die geheimnisvolle Minusch“, die im gleichnamigen Kinderfilm des Belgiers Vincent Bal dem Reporter Tibbe hilft, den vermeintlichen Wohltäter einer Kleinstadt als fiesen Umweltsünder zu entlarven. Minusch (Carice van Houten) erscheint Tibbe zwar als hübsche junge Frau, aber steckt da nicht vielleicht doch ein wenig Katze in ihr? Ein charmantes Werk mit sympathischen Figuren und dem stilvollen Entwurf einer Kleinstadt. (29.11.-1.12., Regenbogenkino)