Zum Verrat braucht es zwei
: KOMMENTAR VON JÜRGEN GOTTSCHLICH

Journalisten wurden vom BND beschattet, ja, der Auslandsgeheimdienst heuerte sogar Kollegen an, um andere Kollegen zu bespitzeln. Das ist schlimm genug – doch für die ganz große Empörung muss man schon ein sehr kurzes Gedächtnis haben. Natürlich ist das Verhalten des BND ein Skandal, aber das ist das Verhalten bundesdeutscher Geheimdienste gegenüber der Presse bereits seit Jahrzehnten. Auf den Journalisten Günter Wallraff setzte der BND in der Vergangenheit andere Journalisten an, die taz wurde vom Verfassungsschutz abgehört.

Dass die Geheimdienste sich illegaler Methoden bedienen, um an ihre Informationen zu kommen, liegt sozusagen in der Natur der Sache. Nicht umsonst wird immer wieder darauf hingewiesen: Eine Demokratie, die ja von Transparenz lebt, ist mit Geheimdiensten eigentlich nicht zu vereinbaren. Doch wie beim Tango braucht man auch beim Verrat eben zwei Akteure – denjenigen, der anstiftet, und denjenigen, der mitmacht.

Der eigentliche Skandal ist deshalb, dass es Journalisten gibt, die sich zum Zuträger und Spitzel für Geheimdienste machen lassen. Gerade in dieser Beziehung sollte die Branche sich jetzt vor allzu viel Selbstgerechtigkeit hüten. Es sind nicht nur die wenigen bekannt gewordenen schwarzen Schafe, die das Bild trüben. Die Grauzone ist weit größer, als jetzt thematisiert.

Legendär ist die Geschichte von Willy Brandts Kanzleramtsminister Horst Ehmke, der für Unruhe quer durch die Redaktionsstuben sorgte: Er wollte von Pullach eine Liste aller Journalisten haben, die beim BND als Zuträger geführt wurden. Unklar bleibt: Wo hört denn für den Journalisten die „legitime“ Zusammenarbeit mit Geheimdiensten auf? Etwa wenn man sich im Ausland trifft und die Sicherheitslage in einem Krisengebiet erörtert? Und: Wo fängt der journalistische Verrat an?

Es kann nicht schaden, wenn jetzt ein Untersuchungsausschuss Licht in die Grauzone zwischen Geheimdienst und Journalisten bringt. Aber: Das wird den Geheimdienst nicht davon abhalten, auch künftig zu versuchen, sich bei Journalisten zu bedienen. Ändern können das nur die Journalisten selbst, indem sie sich verweigern.

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