MR. ERSATZPRESIDENT
: Die 30 großen Tage des Jens Böhrnsen

■ seit 2005 Bürgermeister in seiner Heimatstadt Bremen, hat Jura studiert und ist bis November Bundesratspräsident.  Foto: dpa

Ein Glück, dass er er so lange gewartet hat. Als Horst Köhler im Herbst die erste Strophe des Deutschlandliedes in die Kameras schmetterte – dem Liedermacher Stefan Krawcyk hatte er gerade das Bundesverdienstkreuz überreicht – da konnte man denken: Der muss zurücktreten. Aber er blieb. Zum Glück, wie gesagt. Denn jetzt steht der richtige Ersatzmann bereit.

Während der Vakanz von höchstens 30 Tagen nimmt nämlich der Bundesratspräsident die bundespräsidialen Befugnisse wahr. Das wäre damals der Saarländer Peter Müller gewesen, der einst nach der Abstimmung übers Zuwanderungsgesetz den Bundesrat für eine Schauspielübung missbrauchte. So was würde der Bremer Bürgermeister nie tun. Aber nicht nur das qualifiziert ihn fürs überparteiliche Amt: So ist der 60-Jährige zwar SPD-Mitglied fast von Geburt an – schon sein Vater war Fraktions-Chef in der Bürgerschaft. Doch sein Naturell ist, freundlich gesagt, ausgleichend, und seine Amtsführung so präsidial – man könnte glatt vergessen, dass er Regierung ist: Das konfliktträchtige Justizressort hat er aus dem Bürgermeister-Stellenprofil gestrichen, obwohl er dafür als Verwaltungsrichter qualifiziert ist. Behalten hat er die Kirchen- und die Kulturpolitik. Aber seit das Theater kriselt, leitet die Staatsrätin dessen Aufsichtsrat. Nein, wo es Streit gibt, ist Böhrnsen so weit weg, wie im kleinen Bremen nur möglich.

Seine starken Momente hat er, wenn es gilt, unstrittige Werte zu verteidigen und das Böse zu bannen: Tierversuche, Dieter Bohlen – dafür ist kein Platz in seiner Stadt. Seit Böhrnsen trinkt der Senat nur noch fairen Tee. Und für den Mindestlohn ist er auch.

Klar, noch hat es keiner gemerkt, schließlich kennt man ihn kaum. Aber in 30 Tagen wissen’s alle: Böhrnsen ist kein Ersatz-Präsident. Er ist das Ideal. Und in Sachen Nationalhymne garantiert textsicher. BES

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