Die fröhliche Heimkehr

Verbale Auseinandersetzung über den Umgang mit Kunst ist offenbar nötig: Jutta Koether im Kölner Kunstverein

Ich bin spießig. Das wird mir klar, je länger ich in der Ausstellung „Fantasia Colonia“ umherschaue. Jedes Bild, jede Installation schleudert mir die Erkenntnis entgegen, dass ich ohne das Wissen um den theoretischen Hintergrund nur der offensichtlich unprofessionellen Malerei, den Text- und Musikperformances Jutta Koethers hilflos gegenüberstehe – und sie mir sogar peinlich sind. Angesichts des einvernehmlichen Applauses der Kunst- und Theorieszene muss ich davon ausgehen, dass dies an mir liegt.

Der Kölnische Kunstverein ist mit der großzügig ausgebreiteten Überblicksausstellung „Fantasia Colonia“ der 1958 in Köln geborenen Künstlerin Jutta Koether also kein wirkliches Wagnis eingegangen. Die Präsentation einer Künstlerin, die nicht nur viele Jahre zum Umfeld jener Kunst-Bohème gehörte, die die Galerien- und Kneipen-Szene der Domstadt so exzessiv geprägt, sondern die künstlerisch inzwischen selbst in New York angekommen ist, kann lediglich als längst fällige Reverenz angesehen werden. Lange schon herrscht Einvernehmen darüber, dass Koethers interdisziplinäres und scheinbar dilettantisches Arbeiten eine bedeutende und wichtige Position im aktuellen Kunstgeschehen besetzt.

Von außerhalb fällt diese Wahrnehmung schwerer. Große Augen blicken mich aus fast allen Bildern an, schön geschwungene weibliche Körper, überlagert von malerischen Notationen, die sich zu Figuren oder floralen Ornamenten verdichten. Vieles erinnert an die pseudo-kreativen Ergüsse im Tagebuch einer 16-Jährigen aus den 1970er Jahren, an heimliche Disco-Besuche, die ersten unsicheren Schritte in die Welt erotischer Versprechungen, die nie erfüllt werden. Andere, kleinere Objektbilder, schwarz und schwer behängt mit Ketten, Nieten und kaputten Spiegeln, sehen aus wie sorgsam bewahrte und gehütete Relikte kleiner wilder Punk-Abenteuer – vielleicht die andere Seite jener verträumten Seele, die ihre pubertären Sehnsüchte ausleben muss. Was als provokante Revolte gegen jede Form von Bürgerlichkeit gedacht war, wird im Status des Kultobjekts zu einem naiv-romantisierenden Blick zurück.

Aber könnte es sein, dass womöglich gerade dieser peinliche Grenzgang das coole Plus der Arbeiten Jutta Koethers ist? Dass mein Befremden daher rührt, dass eine 47-jährige Frau im Zentrum der intellektuellen Avantgarde sich nicht scheut, die seichten Abgründe des eigenen Erwachsenwerdens in derart abgedroschenen Bildern zu erinnern und fortzuschreiben?

Mit Hilfe jener Post-Punk-Rock-Szene, die sich um Künstler wie Martin Kippenberger und Albert Oehlen, um Rockmusiker wie Kim Gordon sowie die dazugehörigen Poptheoretiker und Trabanten der Zeitschriften Spex und Texte zur Kunst bewegten versuche ich die Arbeiten Jutta Koethers zu verstehen. Als Kritikerin und Musikerin, als schreibende, performende und malende Künstlerin hat sie sich an den Rändern der Szene eingeschrieben, hat die Anerkennungs- und Durchsetzungsprozesse im Kunstbetrieb auch theoretisch verhandelt und sie dazu mit den stereotypen Formulierungen weiblicher Subjektivität verwoben. Die Kritik der Eingeweihten hat Koether fast von Anfang an wohlmeinend begleitet, alle anderen (der „offizielle Kunstbetrieb“) hatten Probleme damit, Koethers kritische Texte und die scheinbar naive, rückwärtsgewandte Malerei miteinander zu verbinden. Spießer eben.

Als ich erfahre, dass Jutta Koether in ihrer Privatwohnung in New York mit den Projekten „The Inside Job“ (1992) und „Need Change“ (2002) die verloren gegangene Tradition des Sprechens über Kunst und die Dynamik prozessualer Aneignung wieder zu etablieren versuchte, bin ich etwas versöhnt. Es erinnert daran, dass Kommunikation und verbale Auseinandersetzung im Umgang mit Kunst offenbar häufig nötig sind. KATJA BEHRENS

Bis 13. August 2006