der geist von genf (5)
: Menscheln am Elfmeterpunkt

Hinter Bastian Schweinsteiger liegen schwere Wochen. Im DFB-Team, an der Seite von Lukas Podolski, erholt er sich davon

Es war ein Spiel, in dem Bastian Schweinsteiger viel Spaß hatte. Der Gegner, die Luxemburger Elf, gefiel sich in ihrer Drittklassigkeit. „Wir konnten immer zuschlagen, wenn wir Lust dazu hatten“, bemerkte der Profi des FC Bayern München. Die Deutschen schlugen siebenmal zu. Die Zuschauer waren so euphorisch, als sähen sie im Dreisam-Stadion das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft. Ein Land probt für den Ernstfall: Es hat sich offenbar entschlossen, das Nationalteam heftig zu umarmen, ja zu erdrücken. Und endlich konnte „Schweini“, wie er von seinen Kollegen in der Nationalmannschaft und den Berichterstattern des Boulevards allenthalben genannt wird, auch vor Publikum antreten. „Spiele vor leeren Rängen mag ich gar nicht“, sagte er am Sonntagnachmittag, als der DFB-Tross längst wieder in Genf das noble Hotel La Reserve bezogen hatte. Zweimal hatte Schweinsteiger in der vergangenen Woche gegen Teams von Servette Genf in einem nahezu leeren Stadion kicken müssen. „Ich war froh, dass wir wieder Menschen gesehen haben“, sagte der 21-Jährige nach dem wohligen Bad in der Menge.

Außerdem feierte das Duo Schweini/Poldi in Freiburg so etwas wie ein Comeback, ein kleines zumindest. Die Kombinationen zwischen dem Münchner und Lukas Podolski, dem Bald-schon-Münchner, gefielen den Freiburgern so gut, dass die Zuschauer beider Spitznamen skandierten. Es menschelte heftig im Breisgau. Weil das Spiel eher der mentalen Vorbereitung diente und sich wenig ableiten ließ, wurde am nächsten Tag viel über eine ebenso nebensächliche wie amüsante Szene gesprochen. Als Schweinsteiger den zweiten Strafstoß verwandeln wollte, trieben die Fans „Poldi, Poldi“ an den Elfmeterpunkt – also schoss dieser den Ball ins Netz. Schweinsteiger beugte sich dem Votum der Zuschauer. Doch demnächst wolle er als Elfmeterschütze in Erscheinung treten, am besten im WM-Finale, sagte er. „Vielleicht rufen die Zuschauer dann ja ‚Schweini, Schweini‘.“ Er habe keine Probleme, wenn einer zu ihm sage: „Du, Schweini, übernimm mal ein bisschen Verantwortung.“ Als Führungsspieler könne er womöglich so gut sein wie Michael Ballack.

Dass Schweinsteiger überhaupt schon wieder solche Überlegungen anstellt, ist erstaunlich. Er hat eine Rückrunde hinter sich, die er so schnell nicht vergessen wird. Vom Münchner Boulevardblatt tz in einer erfundenen Geschichte als Zocker und Wettmanipulator diskreditiert, hatte er zudem arge Probleme, in die Startelf des deutschen Meisters zu finden. Und zu allem Übel überwarf er sich auch noch mit seinem Berater Roland Grahammer. „Mein Kopf war wirklich nicht ganz frei.“ Inzwischen ist die Angelegenheit geregelt. „Das ist jetzt alles vorbei“, sagt er. „Was außen rum passiert ist, ist Vergangenheit.“ Die Schlammschlachten, das Formtief, die Trennung haben ihn wohl reifen lassen, würde er sonst wieder so unbeschwert plaudern wie damals beim Konföderationen-Pokal, als die Offensivspieler als Duo infernale durch die Defensivreihen wirbelten und hymnische Reaktionen in der Presse auslösten. Auch diese Zeitung titelte: „Poldi & Schweini forever“.

Sie haben sich im Nationalteam offenbar wieder gefunden. Jürgen Klinsmann hat auch eine Erklärung dafür: „In unserem Kreis können sie 20 und 21 sein.“ In der DFB-Auswahl werden sie anscheinend altersgerecht erzogen. MARKUS VÖLKER