Bundestag setzt neuen „Superausschuss“ ein

PROVISORIUM Abgeordnete im Leerlauf. Linke kritisiert „Entmündigung“ des Parlaments

„Eine Art Politbüro, das hier die Arbeit des Parlaments macht“

PARTEIENRECHTLER MARTIN MORLOK

BERLIN taz | Vor mehr als zwei Monaten wurden sie ins Parlament gewählt, seither sind die 631 Bundestagsabgeordneten im Leerlauf unterwegs: Sie können nicht recht mit der Sacharbeit anfangen – dazu fehlt die neue Regierung, an deren Kabinettszuschnitt sich die Bundestagsausschüsse traditionell orientieren. Ohne die 22 Fachausschüsse wiederum läuft im Bundestag wenig.

Mit den Stimmen von Union und SPD beschloss das Parlament am Donnerstag deshalb eine in der Bundestagsgeschichte bisher beispiellose Notlösung: Ein einziger „Hauptausschuss“ übernimmt unter Leitung des Parlamentspräsidenten Norbert Lammert (CDU) bis auf Weiteres die Arbeit sämtlicher Fachausschüsse.

Ein Schritt, den die Opposition im Parlament vehement kritisierte – obwohl natürlich auch sie dringend aus dem Wartemodus heraus will. Das Gremium sei letztlich nur dazu da, unliebsame Oppositionsinitiativen zu versenken, sagte die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Ihre Kollegin von der Linksfraktion, Petra Sitte, bezeichnete den neuen „Superausschuss“ gar als „grundgesetzwidrig“. Er tauche in keinem Bundestagsreglement auf und verletze das Recht der Abgeordneten auf Mitwirkung im Parlament. Mehrere Linkspartei-Abgeordnete sprachen von einer „Entmündigung des Parlaments“. Der Parteienrechtler Martin Morlok bezeichnete das Übergangsgremium im Deutschlandfunk als „eine Art Politbüro, das hier die Arbeit des Parlaments macht“.

In dem Hauptausschuss sind nur 47 der mehr als 600 Abgeordneten vertreten – 23 der Union, 14 der SPD, Grüne und Linke dürfen nur je 5 Vertreter stellen. Einen Gegenantrag der Grünen-Fraktion, statt des Hauptausschusses provisorisch alle 22 Fachausschüsse aus der vergangenen Legislaturperiode vorübergehend noch einmal einzurichten, bügelten Union und SPD ab. Für die kurze Übergangszeit wäre das ein übertriebener Aufwand, argumentierte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Er warf den Grünen vor, selbst bisher noch gar keinen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht zu haben, der in den geforderten Fachausschüssen überhaupt beraten werden könnte.

Bei aller Grundsatzkritik – boykottieren wollten die Oppositionsfraktionen die erste Sitzung des neuen Hauptausschusses dann doch nicht: „Wir wollen ja wenigstens dabei sein, wenn da beraten wird“, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi. Das Notfall-Gremium wollte in seiner ersten Sitzung unter anderem ein Gesetz zur Finanzierung des Kitaausbaus durchwinken, damit den Kommunen 2014 nicht dringend benötigtes Geld für neue Kitas fehlt. ASTRID GEISLER