Die wandelbare Monika H.

BÜRGERMEISTERIN SUCHT KURS

Autonome schreien erst: „Herrmann, halt die Fresse!“ Dann: „Henkel vertreiben, O-Platz wird bleiben“

Als die Autonomen von der Tribüne schreien, als neben ihr das „No Lager“-Banner festgezurrt wird, als ein Flüchtling das Rednerpult der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg erklimmt, da sitzt Monika Herrmann auf ihrem Stuhl und beschaut fast versunken den Rabatz. Es sieht nicht aus, als störe sie sich daran. Es läuft jetzt wieder nach Plan.

Am Sonntag war das noch anders gewesen. Angespannt wirkte die grüne Bürgermeisterin, als sie den Oranienplatz betrat, verhärtet. Gerade hatte sie die Polizei gebeten, die Zelte auf dem Platz abzubauen. 150 Beamte waren im Anmarsch. Wochenlang hatte Herrmann hinter dem Flüchtlingscamp gestanden, unumstößlich. Sie wusste um die Zäsur: Ja, sagte sie, es werde „unschöne Bilder“ geben.

Später stoppte Herrmann die Räumung, weil noch Flüchtlinge im Camp waren. Aber unter den 600 angerückten Unterstützern wurde sie binnen eines Nachmittags zur Unperson. Als sich auch im Internet ein Shitstorm zusammenbraute, twitterte Herrmann dagegen an, pausenlos.

Seit Dienstag gibt es ein Ultimatum des CDU-Innensenators Frank Henkel: Räumung bis zum 16. Dezember. Herrmann ist jetzt dagegen. Sie setzt wieder auf Gespräche, auf einen runden Tisch. So wie ihr Vorgänger Franz Schulz. Es ist die Rückkehr zum alten Grün-Kreuzberger Modell: das Wegverhandeln von Konflikten. Das Verorten des Bösen außerhalb Kreuzbergs. Das ist nun Henkel. Der spiele mit dem Feuer, sagt Herrmann.

Auch die gekaperte Parlamentssitzung verteidigt Herrmann. Kreuzberg sei eben „etwas lebendiger“. Als sie am Mittwoch ans Redepult tritt, sagt sie, sie teile „alle Forderungen“ der Flüchtlinge. Die „Lager“ müssten weg. Jetzt ist sie auch sprachlich wieder bei der Szene.

Die CDU hat da längst den Saal verlassen. Für die Bürgerlichen ist Herrmann die Umfallerin. Dagegen tönt von den Autonomen, die zu Beginn der Sitzung: „Herrmann, halt die Fresse!“ schrien, nur noch der Slogan: „Henkel vertreiben, der O-Platz wird bleiben.“ KONRAD LITSCHKO