Wettbewerb um den billigsten Knast

Sollen die Länder künftig für den Strafvollzug zuständig sein? Die CDU in Niedersachsen plant schon Verschärfungen, der Koalitionspartner FDP bremst. Auch der SPD-Justizminister in Schleswig-Holstein lehnt Länderhoheit ab

„Wir tragen die politische Verantwortung“, sagt Elisabeth Heister-Neumann. Wenn ein Häftling aus dem Gefängnis ausbricht, „habe ich noch nie jemanden nach dem Rücktritt der Bundesjustizministerin rufen hören“, meint Niedersachsens CDU-Justizministerin – und sprach sich deshalb gestern erneut dafür aus, die Kompetenzen für den Strafvollzug im Rahmen der Föderalismusreform auf die Länder zu übertragen.

Das sehen beileibe nicht alle ihrer Kollegen so: Während die aus Bayern und Baden-Württemberg zustimmen, lehnt Schleswig-Holsteins SPD-Justizminister Uwe Döring eine Übertragung des Strafvollzugs auf die Länder ab. Das Strafvollzugsrecht sei offenbar nur „eine Art Verhandlungsmasse in der Föderalismusdebatte, damit nachher die ‚Pakete‘ stimmen“. Döring fürchtet einen Wettbewerb der Länder um den härtesten oder billigsten Strafvollzug. Und darum, welchen Stellenwert die Resozialisierung in einem Flickenteppich verschiedener Länderregelungen hat. Ähnlich sieht das der Deutsche Richterbund.

Wenn es nach Heister-Neumann ginge, würde das Leben für die knapp 7.000 Häftlinge in den 15 niedersächsischen Gefängnissen künftig härter werden. Die bislang nur für ältere Knäste erlaubte Mehrfachbelegung von Zellen will sie auch für Neubauten erlauben. Die bisherige Regelung sei „schizophren“, sagte Heister-Neumann. Wenn Gefangene keine Einzelzelle wünschten oder wenn es nicht genug Haftplätze gebe, will sie die Mehrfachbelegung in allen Knästen zulassen. Auch die Aufbewahrungszeit von elektronischen Akten Gefangener will die Ministerin von zwei auf etwa fünf Jahre verlängern.

Bereits in der vergangenen Woche hatten ihre in einem „Eckpunktepapier“ formulierten Wünsche für Verärgerung gesorgt. Nicht nur bei der Opposition, sondern auch beim Koalitionspartner. „Keinen Handlungsbedarf“ sieht FDP-Fraktionschef Philipp Rösler vor allem bei den Änderungen im Datenschutz und möglichen Einschränkungen im offenen Vollzug, den Heister-Neumann per Gesetz zur Ausnahme machen will.

Grüne und SPD sind zudem dagegen, die Fesselung von Häftlingen bei „erhöhter Fluchtgefahr“ zu erleichtern. Die Forderung, Gefangene an den Gesundheitskosten zu beteiligen, werde höchstens Beifall am Stammtisch finden. Die „Eckpunkte“ der Justizministerin seien ein Mix aus „gefährlichem Populismus“ und „überflüssiger Augenwischerei“, sagt die SPD-Justizexpertin Heike Bockmann.Kai Schöneberg