Leberkäse mit Dahlemer Abiturientinnen

Natalie Tenbergs Gastro-Kritik: In der idyllischen Fischerhütte am Schlachtensee in Zehlendorf frühstücken Jogger, die nicht gerade als hip gelten

Der Berlin-Marathon findet erst im September statt, aber schon fühlt sich beinahe jeder mit zwei funktionstüchtigen Füßen berufen, der nächste Forrest Gump zu sein. Die Marathon-Aspiranten kann man grob in zwei Lager teilen: Die einen trainieren im Treptower Park, die anderen joggen um den Schlachtensee in Zehlendorf. Beide Lager glauben an die Überlegenheit ihres Joggingreviers. Die Park-Fraktion mäkelt, der Schlachtensee sei für Langweiler, also Leute, die im Südwesten Berlins leben. Neuköllner, Friedrichshainer, schicke Mitte-Leute und Prenzlauer-Berg-Bewohner, also die eher neu-dünkelhaften, bevorzugen den Park. Konkret: Im Park läuft MTV, am See höchstens das „ZDF-Morgenmagazin“.

Einen weiteren Nachteil hat der See: Um einmal rum zu kommen, muss man durch den Biergarten der Fischerhütte laufen, der sich seit drei Jahren am Ufer breiter und breiter macht. Und wer will schon verschwitzt und in engen Hosen an Ausflüglern vorbei hecheln? Sich vor Dahlemer Abiturientinnen strecken? Ist der Hunger nach dem Training aber groß, kann man gleich im Biergarten oder im Restaurant frühstücken. Der Biergarten verteilt sich auf zwei große Terrassen am Ufer. Dahinter liegt das leuchtend gelbe Gebäude der Weinhandlung Lutter & Wegner, die auch das Restaurant in der Holzhütte nebenan betreibt. Als Biergartenbesucher muss man das leicht affektierte Personal in Kauf nehmen. Es hat sich in der Verkaufsbude bequem eingerichtet und telefoniert lieber mit dem Handy als zu bedienen.

Da können der Erdbeerkuchen und das Müsli mit Früchten noch so locken, ein bisschen weniger Attitüde wäre feiner. Ein „Grüß Gott“, auf eine Tafel an der Wand zum Restaurant gepinselt, soll bayrische Gemütlichkeit vermitteln. Der Eindruck wird indes von einer grauen Betonwand gestört, die die Restaurant- von der Biergartenterrasse trennt. Kein Wunder also, dass die Gäste bei Weißwurst und Leberkäse nur Augen für den See haben.

Hat man erst mal den Ärger über die Bedienung vergessen, lassen sich Speisen wohl genießen. Der Leberkäse schmeckt hervorragend, wird auf einer Scheibe Graubrot mit Krautsalat serviert. Die Weißwurst-Esser schauen auch zufrieden drein, die Kuchen-Esser sowieso. So wohl gestimmt fällt einem plötzlich auf, wie fröhlich die Vögel zwitschern und die Enten mit Gequake antworten. Der Wind rauscht in den Blättern, und die Wasseroberfläche des Sees kräuselt sich sanft. In der Fischerhütte wird so jeder schnell zum See-Fan, man muss ja nicht gleich für den Marathon trainieren.

FISCHERHÜTTE am Schlachtensee, Fischerhüttenstraße 136, Berlin-Zehlendorf, (0 30) 80 49 83 10, www.fischerhuette-berlin.de, U-Bhf. Krumme Lanke, Bier ab 2,50 €, Frühstück ab 1,80 €, Biergarten tägl. ab 9 Uhr geöffnet