Zum Präsidenten in 30 Tagen

BUNDESVERSAMMLUNG Eine 52-Prozent-Mehrheit soll am 30. Juni den Kandidaten der Regierung wählen

BERLIN taz | Es klingt ganz einfach: Union und FDP haben in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, eine Mehrheit. Also könnte Schwarz-Gelb eigentlich viel leichter als noch vor einem Jahr einen gemeinsamen Kandidaten ins höchste Staatsamt hieven. Doch dem stehen noch einige Hürden im Weg.

Fest steht bislang nur eines: Am Mittwoch, den 30. Juni, wird die Bundesversammlung in Berlin zusammentreten, um einen Nachfolger für Horst Köhler zu wählen. Das kündigte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Dienstag an. Der 30. Juni ist der letztmögliche Termin. Denn laut Grundgesetz muss das verwaiste Amt des Staatsoberhaupts binnen 30 Tagen neu besetzt werden.

Nun rechnen Bundeswahlleiter und Bundesinnenministerium aus, wie viele Wahlleute auf die einzelnen Bundesländer entfallen. Denn die Zusammensetzung der Bundesversammlung hat sich seit ihrem letzten Zusammentreten vor einem Jahr deutlich verändert: Im Saarland, in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Bund wurde in der Zwischenzeit gewählt. Der Bundestag stimmt mit einer gleich großen Zahl von Ländervertretern über den nächsten Bundespräsidenten ab.

Die genaue Zahl der auf die Länder entfallenden Wahlleute wird vielleicht schon an diesem Mittwoch im Bundeskabinett, spätestens aber kommende Woche festgestellt. Möglichst bis zum 18. Juni sollen die von den Landesparlamenten gewählten Delegierten feststehen. Laut Berechnungen von wahlrecht.de kommen Union und FDP gemeinsam auf 645 bis 647 Stimmen. Das wären 22 bis 24 Stimmen mehr als für die absolute Mehrheit in der Bundesversammlung nötig.

Dies entspräche einer Mehrheit von 52 Prozent. Falls Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) einen wenig bekannten oder gar einen umstrittenen Kandidaten präsentieren, könnte sich diese Stimmenmehrheit schnell als dünn herausstellen. Wohl auch deshalb kündigte Merkel an, die Koalition wolle zunächst einen Vorschlag für die Köhler-Nachfolge machen und dann die Oppositionsparteien dafür gewinnen. Der Kandidat solle eine Persönlichkeit sein, die „eine Chance hat, von allen akzeptiert zu werden“. MATTHIAS LOHRE