Meuterei am Alex

Die Redaktion der „Berliner Zeitung“ protestiert gegen die Berufung eines neues Chefredakteurs: „Ein scharfer Affront.“

Ein neuer Chef ohne Fortune: Die Berliner Zeitung konnte gestern nur als Notausgabe erscheinen. Betriebsrat und Redaktion protestierten damit gegen die Berufung von Josef Depenbrock als Chefredakteur durch den neuen Besitzer David Montgomery. Der 44-Jährige Depenbrock soll zugleich Mitglied der Geschäftsführung bei dem Blatt werden. Der Vorsitzende des Redaktionsausschusses der Berliner Zeitung, Ewald B. Schulte, wertete Depenbrocks Berufung als „scharfen Affront“ gegen die Belegschaft. Aus Solidarität mit den Kollegen der Berliner Zeitung druckt die taz die Erklärung der Redaktion im Wortlaut. BERICHT SEITE 21

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Berliner Zeitung erscheint heute in besonderer Form. Damit bringen wir, die Redaktion, unsere Sorge über die Zukunft Ihrer und unserer Zeitung zum Ausdruck.

Mitten in die Verhandlungen um ein Redaktionsstatut, das die Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Geschäftsführung verbessern sollte, hat der Geschäftsführer der Berliner Verlages, Peter Skulimma, an diesem Montag mit Herrn Josef Depenbrock einen neuen Chefredakteur berufen und die Redaktion so vor vollendete Tatsachen gestellt. Einer der zentralen Punkte des Redaktionsstatutes ist ein Vetorecht der Redaktion bei der Berufung der Chefredaktion, um damit die Qualität und die publizistische Unabhängigkeit der Zeitung zu schützen.

In der vergangenen Woche hat die Redaktion in einem Schreiben die Geschäftsführung aufgefordert, „vor dem Abschluss der Verhandlungen über das Statut davon abzusehen, einen neuen Chefredakteur zu berufen“. Ein solcher Schritt würde von der Redaktion „als Vertrauensbruch“ gewertet. Diese Situation ist mit der Berufung von Herrn Depenbrock eingetreten.

Die Redaktion protestiert nicht nur gegen diesen Affront. Josef Depenbrock wird neben seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Berliner Zeitung auch der Geschäftsführung der BV Deutsche Zeitungsholding angehören und dort für die redaktionellen Belange der Gruppe zuständig sein. Zudem hält er Anteile an der Holding.

Die Redaktion wird mit ihrer ganzen Kraft dafür kämpfen, dass diese Verquickung zwischen redaktionellen und wirtschaftlichen Interessen auch unter der neuen Führung nicht zum Verlust journalistischer Qualität und Unabhängigkeit führt.

Liebe Leserin, lieber Leser. Sie haben Anspruch auf eine komplette Zeitung. Die können wir Ihnen heute leider nicht bieten. Dafür bitten wir um Verständnis. Angesichts der Umstände, sahen wir uns außer Stande, eine normale Ausgabe zu produzieren. Wir waren gezwungen, uns ausnahmsweise mit der Lage unserer Zeitung auseinander zu setzen, statt mit Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Wissenschaft, Medien, Vermischtem und lokalen Ereignissen.

Bleiben Sie unsere Leser. Wir werden weiter für Sie eine gute Zeitung machen.

Die Redaktion der Berliner Zeitung