Der Uneitle

Roland Vrabec hielt Wort: Ein Offensivspektakel hatte der Coach des FC St. Pauli gegen den Zweitliga-Spitzenclub versprochen, und tatsächlich stürmten die Hamburger am Freitag 90 Minuten lang gegen den 1. FC Köln – und ins Verderben.

Es war ja attraktiv anzusehen, wie St. Pauli die Kölner Hintermannschaft ein ums andere Mal in Bedrängnis brachte, bloß: Erfolgreich war der Sturmlauf nicht. Die Hamburger versiebten noch ihre besten Chancen, aller Sturm und Drang ließ den cleveren und spielgewandten Kölnern jede Menge Raum für Konter, und so endete das Spiel mit einer 0:3-Niederlage aus Hamburger Sicht. Angesichts der Torchancen – 15 für St. Pauli, 23 für Köln – hätte es gut gut und gerne 3:6 ausgehen können.

Roland Vrabec, den die Website www.transfermarkt.de als „Interimstrainer“ führt, liebt die offensive Gangart: Seine Handschrift ist schon nach drei Partien deutlich zu erkennen – etwas, das viele Beobachter bei Vorgänger Michael Frontzeck noch vermissten, als der bereits über ein Jahr lang Trainer war. Stetes Pressing, mutiges Passspiel und vorwärtsgerichteter Powerfußball möglichst über 90 Minuten und unabhängig vom Spielstand: Dadurch zeichnet sich das Spiel der Paulianer inzwischen aus. Angriffsfußball also, an dem es in der Ära Frontzeck vor allem im eigenen Stadion mangelte – was schließlich zum Bruch mit Präsident Stefan Orth führte.

Nachdem die ersten beiden Partien unter Vrabecs Leitung mit Siegen für St. Pauli endeten, darf sich der 39-Jährige Hoffnungen machen, dauerhaft am Millerntor wirken zu können – vorausgesetzt, dass Sportchef Rachid Azzouzi auch an das Trainer-Greenhorn glaubt, das sich zuvor als Jugendcoach, Chefscout und Co-Trainer in Frankfurt, Mainz und Leipzig verdingte. Immerhin ist mit dem just am Samstag in Düsseldorf rausgeschmissenen Azzouzi-Spezi Michael Büskens – beide führten vor anderthalb Jahren Fürth in die Bundesliga – ein so erfahrener wie kompatibler Coach auf dem Markt.

Die Chance über die Winterpause hinaus zu bleiben, ist jedenfalls gegeben für den angenehm uneitel wirkenden Vrabec, dessen extremer Kurzhaarschnitt die Frisurmode seiner Vorgänger Stanislawski, Schubert und Frontzeck naht-, ja: lockenlos fortsetzt. Damit könnte der gebürtige Frankfurter, der noch nie für ein Profiteam Verantwortung trug, zum Aufsteiger der Saison werden.

Nur die Kölner Klatsche vom Wochenende darf sich eben nicht allzu oft wiederholen. Denn bei aller Liebe der Vereinsverantwortlichen zum Offensivfußball: Auch am Hamburger Millerntor zählt am Ende das Ergebnis.  MAC