DIE VERSCHWÖRUNG VON FDP, AOK UND KREUZKÖLLNSAGERN
: Turnvater Jahns Flashmob

ULI HANNEMANN

Wir haben uns gerade im Gras niedergelassen, als hinter uns – heißa hopp! – eine Gruppe junger Kasper herbeigesprungen kommt. Die Kasper packen allen möglichen Kasperkram aus und fangen an, damit herumzukaspern. Jonglierkegel sind dabei, Jonglierbälle und so ein komisches buntes Stöckchen, das man mit zwei anderen komischen bunten Stöckchen balanciert.

Ein Oberkasper stakst, gestützt von zwei Hilfskaspern, auf kurzen Krummstelzen herum. Was von weitem so aussieht wie die Velociraptoren aus „Jurassic Park“, ist zum Glück doch nur gefährlich für sie selber, wenn sie ungebremst nach vorne auf die Fresse fallen. Die Damen und Herren Kasper sind mit Feuereifer bei der Sache. Bestimmt denken sie, dass sie, sofern sie nur recht fleißig üben, ihren Kasperkram gewiss bald gut beherrschen. Ich glaube das ja nicht.

Aber vielleicht kaspern sie ja auch ohne Ziel und Zweck – Hauptsache, Kasperei ist gerade angesagt. Denn besonders die eine große Wiese in der Hasenheide wirkt an schönen Abenden, als habe dort ein Heer von Gauklern ein riesiges Gauklerheerlager aufgeschlagen. Mit Kind und vor allem mit Kegel. Der letzte Schrei in Sachen Kasperkram sind diese Seile, auf denen man balancieren kann, wenn man denn könnte. Manchmal sind sie derart kreuz und quer zwischen sämtlichen Bäumen des Parks gespannt, dass der wirkt wie ein gigantisches Spinnennetz, aus dem in einem fort Spinnen mit farbenfrohen Röckchen oder Anglerhüten purzeln. Zwar ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, doch der grobmotorische Massenpfusch erinnert mich fatal an meine Tanzstunde. Dazwischen hampeln hilflos Einradfahrer herum.

Aktiv und aerodynamisch

Bis vor wenigen Jahren bestand der verlässlich einzige Anblick akrobatischer Natur aus verhornten Freaks, die mit einer Hand kunstvoll ein Langblatt bauten, während sie mit der anderen Hund und Pulle bändigten. Und auf einmal machen alle nur noch auf gesund, aktiv und aerodynamisch. Ich deute diese crazy Flashmob-Version von Turnvater Jahns Erben als konzertierte Verschwörung von FDP, AOK und Kreuzköllnsagern. Was ist bloß aus der überaus edlen Kunst des gemeinschaftlichen Drogen- und Alkoholkonsums in öffentlichen Parks geworden? Auf der anderen Seite sollte solcherlei rauschhafter Zeitvertreib ohnehin eher uns älteren Semestern vorbehalten bleiben – wir können das einfach besser.

Gefährliche Clowns

Vielleicht kann man folglich sogar froh sein, dass sich die jungen Menschen hier mit etwas anderem beschäftigen, sieht man doch am Beispiel Mauerpark, dass jüngere Leute das gepflegte Abhängen längst nicht mehr korrekt beherrschen. Selbst die simpelsten Teildisziplinen, wie eine Flasche Bier in Ruhe auszutrinken und anschließend das Leergut angemessen zu entsorgen, werden fehlerhaft ausgeführt: Da wird dann eben mal die noch volle (!) Flasche auf einen Polizeiwagen geworfen oder es entstehen Flächenbrände beim Versuch, sich einen Joint anzuzünden. Womöglich sollte man die Jugendlichen mithilfe von den zum Beispiel bei Aldi angebotenen Übungsflaschen aus Plastik oder Schokoladenzigaretten langsam an die Herausforderungen heranführen. Bis es so weit ist, kann mit Jonglierbällen natürlich weniger passieren.

Obwohl ich mir da so sicher auch wieder nicht bin. Immerhin muss man auf Schritt und Tritt aufpassen, um nicht irgendwelche Kasperinstrumente an den Kopf geschmissen zu bekommen, über aufgespannte Gehseile zu stolpern oder von einem Anfänger auf dem Einrad überfahren zu werden. Und in der Nacht wird es dann noch gefährlicher, denn mit der Dunkelheit kommen womöglich die Clowns, die mit Riesenlatschen über den Rasen stolpern und einander falsche Sahnetorten in die Gesichter klatschen.