Ein Sargnagel fürs Genre

Starregisseur Quentin Tarantino inszeniert eine grandios-grausige Doppelfolge von „CSI“ (21.10 Uhr, Vox)

Mit der Sorgfalt eines Bombenentschärfers wird die Kassette ins Abspielgerät geschoben. Das Spurensucherteam aus Las Vegas hat sich um den Tisch versammelt, um dem ominösen Tape zu lauschen. Doch statt Anweisungen des Entführers zwiebeln da auf einmal lautstark die Folkrockakkorde aus dem Song „Outside Chance“ von der Westcoastformation The Turtles aus dem kleinen Rekorder. Hey, jubiliert der Sänger, du kannst versuchen mich zu erfreuen, aber es wird nicht einfach, denn Wände aus Stein umgeben mich.

Es ist einer von vielen Popsongs, die Quentin Tarantino in die von ihm inszenierte „CSI“-Produktion einstreut – und die hier eine ungeahnte Härte entwickeln. Ein Popsong ist bei Tarantino ja niemals nur ein Popsong. Denn einer der Tatortbesichtiger ist tatsächlich unauffindbar, gefangen in einem gläsernen Sarg eineinhalb Meter unter der Erde. Wenig später dürfen die Ermittler dann auch noch via Internet dabei zuschauen, wie ihr Kollege in Todespanik in der Kiste rotiert. In dem Grab ist eine Kamera montiert, die Luftzufuhr reicht für zwölf Stunden.

Es gibt keine düstere Fantasie als die, lebendig begraben zu werden. Und Tarantino tut gut daran, die Geschichte, die offensichtlich von Edgar Allan Poes „Das Fass Amontillado“ inspiriert ist und ja auch schon in „Kill Bill 2“ variiert wurde, konsequent als Trauma-Thriller auszubeuten. Er nimmt den Stoff so ernst, wie er sich als Serienjunkie im Allgemeinen und als „CSI“-Fan im Besonderen respektvoll die Erzählform des Krimi-Schlagers mit seiner eigenen in Einklang zu bringen versucht. Die Doppelfolge „Grabesstille“, mit der heute die fünfte Staffel endet, ist also keine feindliche Übernahme geworden.

Allerdings lässt sich Tarantino bei aller kriminalistischen Akkuratesse auch Zeit, durchs Revier zu streunen. Einmal führt die Handlung ins Separee einer Casinobar, in dem sich Tony Curtis und Nachtclub-Kanone Frank Gorshin einen wunderbaren Dialog liefern. Ein anderes Mal löst sich der Regisseur nach Art von „Pulp Fiction“ mit einer Rückblende aus der Chronologie und hört zwei der Spurensucher ganze zehn Minuten beim Quatschen in der Umkleidekabine zu. Und schließlich lässt er seinen von Todesangst getriebenen Held im Delirium Zeuge der eigenen Obduktion werden.

Dieser makabre Detailfetischismus à la Tarantino harmoniert perfekt mit dem scholastischen Detailfetischismus à la „CSI“. Wobei die grausame Zwangsläufigkeit in „Grabesstille“ perfiderweise ja eben gerade durch diesen Detailfetischismus ihren Anfang nimmt: Denn so wie der Protagonist in Poes Erzählung erst durch seine Spirituosenkennerschaft in die missliche Lage gerät, bei vollem Bewusstsein begraben zu werden, bringt den CSI-Mann nun ebenfalls sein Spezialistentum unter die Erde: Nur weil er am Tatort korrekt einer Spur folgte, geht er seinem Peiniger in die Falle.

Dass Quentin Tarantino nun ausgerechnet in „CSI Las Vegas“, Mutter der zurzeit noch immer auf allen Kanälen boomenden Tatortschnippseldeuter-Serien, den streng aufklärerischen Gestus dieser Krimi-Form ins Unheilvolle wendet, ist da also doch auch ein subversiver Akt. Ein Sargnagel für das Genre, mit viel Liebe reingeschlagen. C. BUSS