„Ich kann das“

Josef Depenbrock, neuer Chefredakteur und Mitglied der Geschäftsführung der „Berliner Zeitung“, traut sich einiges zu. Redaktion will weiter kämpfen

AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG

Nach dem turbulenten ersten Tag sollte nach dem Willen des neuen Chefs erst mal Ruhe einkehren. Er wolle „sich bei der Redaktion einfügen und nicht umgekehrt“, gab sich Josef Depenbrock gestern in seiner ersten Redaktionskonferenz als neuer Chefredakteur der Berliner Zeitung bescheiden – und reichte die Tagesproduktion an seinen Stellvertreter weiter.

Aus Protest gegen ihren plötzlich aus dem Hut gezauberten neuen Chef, der vom Boulevardblatt Hamburger Morgenpost kommt, war die Berliner Zeitung am Dienstag – wie in Teilen der taz bereits berichtet – nur als dürre zwölfseitige Notausgabe mit Agenturtext erschienen. Bundesweit fehlte das Blatt dagegen an den Kiosken: Die überregional verbreitete Frühausgabe fiel ganz aus.

Nachfragen der RedakteurInnen, wie der im Boulevardgeschäft erfahrene, aber in Sachen Qualitätszeitung eher unbeleckte Depenbrock das „Hauptstadtblatt“ zu führen gedenke, wischte der vom Tisch: „Ich kann das, und die Geschäftsführung weiß das“, zitieren Mitarbeiter ihren neuen Chef.

Zur Not kann sich ja der Geschäftsführer Depenbrock hinter den Chefredakteur Depenbrock stellen: Der „Medienmanager“ (Verlagsmitteilung) ist in Personalunion nämlich auch Mitglied der Geschäftsführung der BV Deutsche Zeitungsholding, zu der die Berliner Zeitung seit vergangenem Herbst gehört.

Dass hiermit die Trennung zwischen Verlag und Redaktionsspitze faktisch aufgehoben ist, aus dem Chefredakteur ein Geschäftsredakteur wird, sieht die Belegschaft als große Gefahr: „Die Redaktion wird mit ihrer ganzen Kraft dafür kämpfen, dass diese Verquickung zwischen redaktionellen und wirtschaftlichen Interessen … nicht zum Verlust journalistischer Qualität und Unabhängigkeit führt“, heißt es in einer Erklärung der Redaktion auf der Titelseite der Notausgabe.

Doch diese Sorgen fechten den Geschäftsredakteur nicht an: „Meine Berufung in diese zusätzliche Position dient dem Ziel, dass journalistische Gesichtspunkte bei allen wesentlichen Entscheidungen des Unternehmens deutlich berücksichtigt werden“, schrieb Depenbrock gestern in seiner Grußadresse an die LeserInnen der Berliner Zeitung. – Sie erschien allerdings erst auf Seite 2.

Der Kampf der Redaktion dürfte allerdings nicht einfach werden – denn das gesamte bisherige Vorgehen der Verlagsleitung zeigt, dass sie keinen Konflikt scheut: „Mitten in die Verhandlungen um ein Redaktionsstatut, das die Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Geschäftsführung verbessern sollte“, wurde der „neue Chefredakteur berufen und die Redaktion so vor vollendete Tatsachen gestellt“, heißt es in der Notausgabe weiter, dies sei ein klarer „Vertrauensbruch“, da die Redaktion die Geschäftsführung aufgefordert hatte, „vor dem Abschluss der Verhandlungen über das Statut davon abzusehen, einen neuen Chefredakteur zu berufen“.

Auch Depenbrocks Vorgänger wurde am Montagmorgen von der plötzlichen Personalie kalt erwischt: Uwe Vorkötter, der Anfang Juli als Chefredakteur zur Frankfurter Rundschau wechselt, war eigentlich schon im Pfingsturlaub, wurde aber nach Berufung Depenbrocks nach Berlin zitiert, um sein Büro zu räumen.

In der Redaktion wird hinter diesem ungeschickt harschen Vorgehen Peter Skulimma vermutet: „Der war in Friedenszeiten schon überfordert und ist’s jetzt in Kriegszeiten erst recht“, sagt ein Redakteur.

Wie dieser Krieg genau aussehen könnte, darauf gab Depenbrock schon am Montagabend einen Vorgeschmack: Ihm sei aufgefallen, dass das bei den LeserInnen sehr beliebte Ressort „Vermischtes“ mit gerade mal 1,6 Planstellen auskommen müsse, sagte der boulevardgestählte neue Chef nach ersten Berichten seiner konsternierten Redaktion – in der viel weniger gelesenen Kultur säßen dagegen satte vierzehn Mitarbeiter. – Da keiner wirklich niemand sagen, er wisse nicht, woher der Wind weht.