Die Schura scheut keinen Konflikt

GAZA Bei den Bremer Reaktionen auf den Tod der „Free Gaza“-Aktivisten zeigen sich Brüche. Auch die muslimischen Verbände agieren unterschiedlich

Die Schura beweist innerislamisches Standvermögen

Die gewaltsame Verhinderung des „Free Gaza“-Schiffskonvois durch Israel ruft auch in Bremen zahlreiche Reaktionen hervor. Während die Schura, der etwa die Hälfte der rund 40.000 Bremer Muslime angehören, gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Bremen eine Presseerklärung heraus gab, wendet sich der Landesverband der Ditib („Dachverband der Türkisch Islamischen Union“) zusammen mit dem Bremer Friedensforum an die Öffentlichkeit. Sie verurteilen das Vorgehen des israelischen Militärs „auf das Schärfste“ und fordern eine Anklage beim internationalen Gerichtshof in Den Haag. Diese Erklärung haben auch die Deutsch Palästinensische Gesellschaft, die libanesische Gemeinde, die Islamische Föderation Bremen und das Netzwerk für einen gerechten Frieden im Nahen Osten unterzeichnet. Diese Gruppen organisieren auch einen für Samstag geplanten gemeinsamen Protestmarsch vom Hauptbahnhof zum Marktplatz.

Die Schura wiederum beweist innerislamisches Standvermögen, in dem sie gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde zu „Besonnenheit und Verständigung“ aufruft. „Auf keinen Fall dürfen politische Konflikte im Nahen Osten auf die Plätze der deutschen Städte übertragen werden“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Nichtsdestoweniger verdeutlichen beide Seiten ihre Positionen: Die jüdische Gemeinde „bedauert“ den Tod der neun Aktivisten und die Verletzten, hält aber die Blockade des Gaza-Streifens und somit auch die Enterung des Konvois für „gerechtfertigt“. Die Schura bezeichnet diese auf dem selben Papier als „völkerrechtswidrigen Akt“ und spricht in Bezug auf Gaza von einem „menschenunwürdigen Freiluftgefängnis für die palästinensische Bevölkerung“.

Auch in der „Arbeitsgemeinschaft Bremen“ der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) treten unterschiedliche Haltungen und Einschätzungen zu Tage. Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn als Bremer DIG-Vorsitzender formulierte – wie berichtet – eine Erklärung, in der er den „Free Gaza“-Konvoi als „gezielte Provokation Israels“ bezeichnet. Die israelische Marine habe „das gleiche Recht auf die Kontrolle von Schiffen vor Gaza wie die deutsche Marine vor Libanon das Recht und die Pflicht hat, Schiffe auf Waffen für die Hisbollah zu durchsuchen“. Cornelius Noack, Hochschullehrer und langjähriges DIG-Mitglied, hält diese Formulierung für „wirklich nicht mehr tragbar“ und erklärt seinen sofortigen Austritt. Den unmittelbaren Vergleich der beiden Fälle lese er als „versteckt formulierte Erklärung, Israel brauche sich um internationales Recht nicht zu scheren“. Schon länger agiere die DIG wie ein „Sprachrohr der israelischen Regierungspolitik“.

Kuhn hält dem entgegen, dass es auf den Veranstaltungen der DIG sehr wohl „vielfältige und kritische Diskussionen“ zu Israel gäbe. Im Übrigen sei die aktuelle Erklärung bei vielen der gut 100 Bremer DIG-Mitglieder auf positive Resonanz gestoßen. HB