Zivile Ungehorsam

Studierende werfen der Kölner Polizei vor, beamtete Provokateure gegen sie eingesetzt zu haben. Polizeisprecher dementiert. Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum kritisiert Einsatz

VON SEBASTIAN HEISER

Haben Polizisten in zivil rechtswidrig versucht, Studierende bei ihren Protesten gegen Studiengebühren zu Straftaten anzustacheln? Diesen schweren Vorwurf erheben Studierende in Köln. Die Polizei dementiert.

Am Montag hatte der Senat der Fachhochschule in der Domstadt entschieden, Studiengebühren in Höhe von 500 Euro einzuführen. 250 wütende Studierende hatten dagegen vor dem von einer Hundertschaft der Polizei abgeriegelten Gebäude demonstriert. Schließlich wurden 20 Studierende hereingelassen, um als Beobachter an der Sitzung teilzunehmen. Sie begannen mit subtilen Störungen der Sitzung: Lautes Stühlerücken, Husten, Klatschen an den falschen Stellen. Was sie nicht wussten: Zwei Zivilpolizisten hatten sich unter die Studierenden gemischt.

„Die Beamten sollten mögliche Straftaten aufklären beziehungsweise verhindern“, rechtfertigt dies Polizeisprecher Jürgen Laggies. Umstritten ist, ob die Polizisten sich an den Störungen beteiligt haben: „Die haben alles mitgemacht, was wir auch gemacht haben“, sagt ein Student, der direkt neben den Zivilpolizisten saß. Laggies weist dies jedoch zurück. Für die Version der Studierenden spricht indes, dass sich mehrere Zivilpolizisten am Abend gegenüber einer kleinen Gruppe von Studierenden kenntlich machten und in einem Gespräch, dem auch die taz beiwohnte, ihrer Taten brüsteten: Ihr Auftrag sei, sich unter die Protestierenden zu mischen und dort „Stimmung zu machen“. Sie würden auch selbst zum Beispiel Rangeleien mit Kollegen in Uniform beginnen – mit der Absicht, dass Studierende mitmachen und es so einen Anlass gibt, diese in Gewahrsam zu nehmen.

Polizeisprecher Laggies stellt den Auftrag seiner Beamten anders dar: Die Fachhochschule habe um Amtshilfe gebeten, um die Sitzung ohne Störungen abzuhalten. Die seien zu erwarten gewesen, da zwei Wochen zuvor Studierende eine Sitzung des Senates gesprengt hatten. Es sei darum gegangen, mögliche Straftaten wie Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Nötigung aufzuklären und bei Bedarf schnell eingreifen zu können.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat andere Erfahrungen mit Zivilpolizisten gemacht und fordert Aufklärung: „Es gibt immer wieder Provokateure der Polizei, die in die Szene eingeschleust werden und dann auch bei Demos provozieren.“ Er rät den Studierenden, mögliche Zivilpolizisten zu fotografieren – „Heute hat ja jeder eine Handy-Kamera“ – und anschließend deren Verhalten auszuwerten.

Grundsätzliche Kritik an dem Einsatz an der Kölner Fachhochschule kommt von dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum: „Ich halte es nicht für angebracht, wenn man in eine Delegation von Studierenden Polizeibeamte in zivil einschleust“, kritisiert der FDP-Politiker, der heute als Anwalt in Köln lebt. „Die Gruppe der Studierenden war ausdrücklich zugelassen, um als Betroffene an der Sitzung teilzunehmen. Die Zivilpolizisten hätte man draußen lassen sollen.“