Die Stimme und das Studio

Manche Musiker finden, an der Zukunft der Klänge könne man allein mit elektronischen Mitteln arbeiten. Andere sind da weniger rigoros und geben sich auch mit so elementaren Dingen wie den eigenen Stimmbändern zufrieden. Der in Berlin lebende italienische Komponist Alessandro Bosetti etwa erkundet die musikalischen Möglichkeiten, die sich aus der Struktur der Sprache ergeben. Wie unterhaltsam ein so theoretischer Ansatz sein kann, führt er mit seinem Projekt Trophies vor.

Die Grundidee von Trophies ist sehr einfach: Aus den Sprachmelodien unablässig wiederholter Sätze ergibt sich die gesamte übrige Musik. Bosetti deklamiert nonsensartige Phrasen wie „You wait to publish, until – rubbish“, ergänzt von ähnlich rätselhaften Mitteilungen, die kleine Geschichten zu ergeben scheinen, ihren Sinn am Ende aber für sich behalten.

Ganz allein ist Bosetti bei diesem Vorhaben nicht: Der japanische Gitarrist Kenta Nagai greift die sprachlichen Motive auf, verdoppelt sie oder variiert sie in immer wilderer kreisenden Figuren. Und am Schlagzeug umspielt der wie Bosetti in Berlin lebende australische Schlagzeuger Tony Buck den repetitiven Sprechgesang mit atomisiertem Staccato-Beat, um die rhythmische Grundstruktur weiter auszubuchstabieren.

Aus diesen Zutaten entsteht bei Trophies ein dichtes Freiform-Gemisch, das gerade durch die fast alltäglich eingesetzte Stimme – trotz zahlreicher Anleihen bei der frei improvisierten Musik – höchst zugänglich wirkt. Es sind exzentrische Songs, die allerdings mit Pop sehr wenig gemein haben.

Auf den ersten Blick mehr in der Pop-Tradition verhaftet zu sein scheint Jason Grier mit seinem Debütalbum „Unbekannte“. Der Chef des Labels Human Ear Music beginnt fast konventionell mit einem „A Cappella“-Song, der jedoch mit ungewöhnlich langen Pausen überrascht. In „Der Wind und das Meer“ erklingen anfangs Möwenschreie und akustische Gitarre, im weiteren Verlauf wird die ruhige Folk-Nummer dann zunehmend durch Störfrequenzen überlagert, um schließlich mit Orgelakkorden zu enden.

Jason Grier rückt auf seiner Platte das Studio als eines der Hauptinstrumente des Pop in den Vordergrund. Er setzt es lediglich anders ein als im Pop gewohnt, experimentiert mit Aufnahmetechnik und Klangquellen und absolviert so einen eleganten Balanceakt zwischen Songwriting und Neuer Musik.

TIM CASPAR BOEHME

■ Trophies: „You Wait to Publish“ (Monotype Records), live 17. 12., WestGermany

■ Jason Grier: „Unbekannte“ (Human Ear Music)