DAVID DENK ÜBER FERNSEHENICH HABE EINEN NEUEN. ER HEISST PHILIPS UND IST EINE GANZ ANDERE LIGA ALS MEIN ALTER
: Der erloschene Blick der Liebe

Um mal kurz persönlich zu werden: Ich habe einen neuen Fernseher. Er ist mir zugelaufen. Eines Morgens stand er vor meiner Tür. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Dass Fernbedienung und Gebrauchsanleitung obendrauf lagen, stimmte mich zuversichtlich, dass es sich bei der äußerlich sehr aparten Erscheinung ausnahmsweise mal nicht um den üblichen Müll handelte, der in Neukölln sonst so auf der Straße herumlungert.

Er machte es mir jedoch nicht leicht, ich musste ihn erobern. Mann, war der schwer, aber immerhin „HD prepared“ – also eine ganz andere Liga als mein Alter! Nachdem ich ihn über die Schwelle gehievt hatte, ließ ich ihn gleich im Flur fallen und wechselte das T-Shirt, bevor ich ihn einem kurzen Funktionstest unterzog. Schwein gehabt! Er lief wie eine Eins. Ich schwebte im siebten Himmel.

Als ich abends wieder nach Hause kam, fingen die Probleme allerdings gleich an. Erstens musste ich meinen Neuen, er heißt Philips, ja noch ins Wohnzimmer schaffen, wo – zweites Problem – ja noch Panasonic stand und mich mit erloschenem Blick begrüßte. Ich bildete mir ein, einen stummen Vorwurf darin zu erkennen. Sein Schweigen machte mich krank. Ich fühlte mich schuldig: Nur weil dir ein Abenteuer über den Weg läuft, gibst du eine über Jahre gewachsene Beziehung auf. All die gemeinsamen Erlebnisse, der Freundeskreis, die vielen schönen Stunden – kann man das so hopplahopp zum Teufel jagen? Sicher war ich mir nicht.

Also beschloss ich, es eine „Auszeit“ zu nennen, stöpselte Philips aus und stellte ihn in die Ecke. Um ehrlich zu sein, hatte das weniger hehre Motive, als ich mir einzureden versuchte: Ich scheute eigentlich nur deswegen davor zurück, Panasonic in die Wüste, sprich: in den feuchten Keller, zu schicken, weil ich der neuen Beziehung noch nicht traute. Was, wenn ich nur ein kurzes Intermezzo sein würde? Immerhin ist er Baujahr 2005, also in einem schwierigen Alter.

Montag Anja Maier Blagen Dienstag Martin Unfried ÖkosexMittwoch Kübra Yücel Das Tuch Donnerstag Matthias Lohre MännerFreitag Arno Frank Geräusche

Aber gerade das liebe ich ja an ihm! Ich brauche keinen von diesen gestochen scharfen, athletisch flach gebauten, aber auch ziemlich prolligen Jünglingen. Persönlichkeit und Lebenserfahrung, dass man schon ein bisschen was von der Welt gesehen hat, sind mir da viel wichtiger. Das war auch schon bei Panasonic so, der eine jahrelange Beziehung hinter sich hatte, schon an verschiedenen Orten gelebt hatte, als er in mein Leben trat. Das hat Spuren hinterlassen: Die Fernbedienung funktionierte nie einwandfrei. Aber, seien wir doch mal ehrlich: Wer ist schon perfekt? Und ist Perfektion nicht auch unglaublich langweilig?

Mit dieser Haltung bin ich leider ziemlich allein. Erst letzten Sonntag hat mir ein Freund seinen Neuen vorgestellt. Wir haben zusammen den Grand Prix geguckt. Klar, sein Neuer sieht blendend aus, wie frisch vom Band gerollt, aber er hat nichts zu erzählen. Dafür hat der Freund umso mehr geschwafelt: Wie unglaublich peinlich er mit dem Neuen angegeben hat! Er hat mir sogar dessen Maße genannt und Beifall erwartet. Außerdem sei er ein echtes Schnäppchen gewesen. Also wirklich, so redet man doch nicht über einen Fernseher!