Weggesparte Würde

AUSTERITÄT Der Europarat prangert die Folgen der EU-Sparpolitik an und fordert Menschenrechte ein

BERLIN taz | Der Europarat wendet sich mit drastischen Worten gegen die Sparpolitik der EU. Menschenrechtskommissar Nils Muiznieks fordert die Mitgliedsländer des Rates auf, so schnell wie möglich wieder zu einer Sozialpolitik zurückzukehren, die auf der Einhaltung von Menschenrechten, Generationengerechtigkeit und einem Zugang zur Gerichtsbarkeit auch für Arme fußt.

„Viele Regierungen in Europa, die eine Sparpolitik verfolgen, vergessen ihre Pflichten zur Einhaltung von Menschrechten“, sagte der lettische Politiker gestern in Straßburg. Internationale und nationale Sparpakete hätten Regierungen von grundlegenden Investitionen in Gesundheit, Bildung und soziale Sicherungen abgehalten. Muiznieks kritisiert damit indirekt die deutsche Bundesregierung, unter deren Druck viele EU-Staaten zu einer rigorosen Sparpolitik gezwungen wurden. Der Europarat mit Sitz in Straßburg mit 47 Mitgliedsländern, unter anderem die Türkei, die Ukraine und Russland, ist keine Institution der EU.

In einer Studie zu dem Thema empfiehlt der Europarat, „Rote Linien“ zu definieren, die im Namen der Wirtschaftspolitik nicht übertreten werden dürfen. Regierungen müssten sich auf eine Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit fokussieren und ein Mindesteinkommen sicherstellen.

Eine Möglichkeit, Druck auf die Mitgliedsstaaten auszuüben, um seine Appelle umzusetzen, hat der Europarat allerdings nicht. INGO ARZT