portrait
: Berühmt und dennoch traurig

Cool schien er allenthalben, dieser Mann, der es über Nacht aus den verschatteten Seiten des Unionsgeheges im Bundestag in die Schlagzeilen brachte: Andreas Schockenhoff, 49, Jahre, stellvertretender Fraktionschef seiner Partei und außerdem für sie – Posten ist Posten – Russlandkoordinator.

Dieser Politiker, mit leichten Einbußen voriges Jahr wiedergewählt im Wahlkreis Ravensburg-Bodensee, schalt in einem Interview den grünen Paralmentskollegen Volker Beck, der in Moskau auf einer Homodemonstration verdroschen wurde: Beck sei in Moskau um Schlagzeilen bemüht gewesen und müsse sich nicht wundern, wenn er verprügelt werde.

Im Vorwurf des Polittouristen lag ein Gran Neid geborgen: Schockenhoff selbst, ausweislich seiner Internetseite bekennender Heterosexueller, kennt die Sonne öffentlicher Wahrnehmung, ja die wichtigste Münze im politischen Geschäft, nur vom Hörensagen.

Meriten hat er gewiss viele, bekannt gegeben wurde freilich nur, dass seine Homepage unter allen 569 Internetseiten des Bundestagskollegiums immerhin als zwölftbeste gerankt wurde. Kurz gesagt: Seine Kritik an Volker Beck war möglicherweise darin gegründet, dass den Grünen ja schon länger eine gewisse Kameraobsession nachgesagt wird, aus der eigenen Partei, aus der Homoszene wie aus dem Bundestag überhaupt. Aber Schockenhoff schoss – verständlicherweise ungeübt im politischen Feinsinn – übers Ziel hinaus: In seiner Fraktion regte sich Unmut über ihn: Mit totalitären, antidemokratischen Politikstilen wolle man sich nicht gemein machen. Die Kanzlerin und Schockenhoffs Parteichefin Angela Merkel schob noch die karrierezersetzende Sentenz nach, sie gehe davon aus, „dass Herr Schockenhoff das“ – sie meinte das Verprügeln Volker Becks – „auch bedauerlich findet und dem auch noch Ausdruck verleihen wird“. Heißt: Parlamentarier gleich welcher Couleur behämt man nicht, wenn sie Opfer politischer Gewalt werden. In summa: Die Zukunft des Andreas Schockenhoff liegt irgendwie nun hinter ihm.

Gestern präsentierte der arme Mann eine Delegation russischer NGO-Organisationen, allesamt bittere Kritiker Putins, für die Merkel eine Heldin ist. Auf die Frage, ob sie es gut fänden, würden ausländische Gäste mit ihnen in ihrem Land demonstrieren, als Geste der Solidarität und Anteilnahme am Kampf um Rechtsstaatlichkeit und Liberalität, antworteten sie unisono: „Ja.“ Schockenhoff, weiter befragt, ob er nun seine Kritik an Beck zurücknehme, erwiderte: „Nein.“ Und sah bei diesen Ausführungen aus wie ein Mann, der Sehnsucht nach der stillen, konservativen Welt weit weg am Bodensee hat. JAN FEDDERSEN