„Jetzt müssen die Länder umsetzen“

Bei Bildung, Besuch und Bett wird der Jugendvollzug altersgerechter, sagt der Kriminologe Helmut Pollähne

taz: Herr Pollähne, Karlsruhe hat ein Gesetz für den Jugendstrafvollzug gefordert. Was soll sich beispielsweise konkret verbessern?

Helmut Pollähne: Junge Häftlinge haben mehr Anspruch auf Besuch, vor allem von ihrer Familie. Im Gesetz für den Erwachsenenvollzug wird nur eine Besuchszeit von einer Stunde im Monat garantiert. Daran hat sich auch der Jugendvollzug bisher orientiert, von Anstalt zu Anstalt stark unterschiedlich. Es hieß, mehr könne mit dem vorhandenen Personal nicht realisiert werden.

Wie sieht es mit Bildungsangeboten aus?

Hier sind die Anstalten schon bisher ziemlich aktiv, aber nicht genug, um allen Häftlingen ein geeignetes Angebot machen zu können. Oft hieß es, dass sich eine Ausbildung nicht lohnen würde, weil die Haftzeit zu kurz ist. Dieses Argument hat das Gericht abgelehnt. Es ist besser, wenn ein junger Mensch eine Ausbildung in Haft wenigstens beginnt, statt ein Jahr lang nur rumzuhängen.

Das Gericht hat sich auch für die Unterbringung in „kleineren Wohngruppen“ ausgesprochen …

Das ist ein wichtiger Hinweis an die Praxis. Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft erzielt ein Vollzug in Wohngruppen die besten Ergebnisse, weil hier am ehesten ein therapeutisches Klima erzeugt werden kann. In den letzten Jahren war diese Form der Unterbringung allerdings stark rückläufig.

Ihr Fazit?

Der Jugendstrafvollzug wird deutlich teurer. Karlsruhe hat konkrete Anforderungen formuliert, die müssen die Länder, die für die Verwaltung der Haftanstalten zuständig sind, jetzt umsetzen. Gut ist vor allem, dass die Besonderheiten des Jugendstrafvollzugs betont wurden. Der war in den letzten Jahren aus Kostengründen immer mehr an die Haftbedingungen bei Erwachsenen angeglichen worden.

Justizministerin Brigitte Zypries will ihren alten Gesetzentwurf nun wieder aus der Schublade holen …

Der ursprüngliche Entwurf war ganz in Ordnung und entsprach bereits im Wesentlichen den Vorgaben aus Karlsruhe. Er darf aber nicht durch Öffnungsklauseln verwässert werden, die den Ländern eine Abweichung nach unten erlaubt.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH