Das Projekt mit den Beatles

taz: Herr Lewisohn, Sie schreiben eine dreibändige Beatles-Biographie und haben sich für dieses Projekt 15 Jahre Zeit genommen. Dabei existieren bereits massenweise Bücher über die Beatles. Gibt es da noch etwas Neues zu sagen?

Mark Lewisohn: Die Geschichte der Beatles ist so oft erzählt worden, dass die Leute denken, sie könnte nur auf eine bestimmte Art und Weise erzählt werden. Meine Überzeugung ist aber, dass die Geschichte nie so adäquat und vollständig erzählt wurde, wie sie es verdient hat. Sie kann viel realitätsnäher erzählt werden, mit mehr Aufmerksamkeit für den historischen Kontext. Meine Bücher werden deshalb auch von der Zeitgeschichte handeln: Man kann nicht erklären, was die Beatles verändert haben, wenn man nicht erklärt, wie es war, bevor sie kamen.

Wie gehen Sie vor?

Ich hatte in den vergangenen Jahren bereits Zugang zu Informationen, an die die Leute normalerweise nicht rankommen. Außerdem treffe ich hunderte Zeitzeugen, die nie zuvor interviewt worden sind.

Die Beatles waren zwischen 1960 und 1962 insgesamt neun Monate in Hamburg. Was hat diese Zeit mit der Ästhetik der Beatles gemacht?

Die Beatles waren keine besonders gute Band, bevor sie nach Hamburg kamen, und Hamburg gab ihnen den Glauben, dass sie etwas erreichen können. Sie spielten so viel live, dass sie als Gruppe zusammenwuchsen und herausfanden, worin sie gut waren und worin nicht. So entstand ein Repertoire, und das war für die Zukunft absolut essentiell.

Außerdem gab Ihnen die Zeit in Hamburg einen Stil. Sie kamen an mit billigen Liverpooler Uniformen. Als sie zurück nach Liverpool kamen, hatten sie einen Look, der sie von allen anderen abhob.

Konnte das nur in Hamburg passieren, oder hätte es auch Paris oder Berlin sein können?

Schwer zu sagen. Ihre Entwicklung hat sicher etwas damit zu tun, dass Hamburg eine Hafenstadt ist und Hamburg und Liverpool sich ähnlich sind: Beide Städte sind im Krieg stark zerstört worden und hatten eine ähnliche Mentalität. Der Hamburger Hafen sorgte für die Kundschaft auf der Reeperbahn. Also spielten die Beatles vor allem für Seemänner und Leute, die von den Schiffen kamen. In Berlin hätte das nicht passieren können.

Paris allerdings war wichtig, dieser Einfluss kam über Astrid Kirchherr, Jürgen Vollmer und Klaus Voormann, die sich die Pariser Mode zu eigen gemacht hatten. Der so genannte Pilzkopf der Beatles ist tatsächlich ein französischer Haarschnitt. Und die berühmten Jackets der Beatles waren französische Kleider. Interview: Kli

Mark Lewisohn sucht Zeitzeugen der Hamburger Zeit der Beatles und bittet um Hinweise unter ☎ 040/39 90 25 15. Außerdem wird er beim Eröffnungsfestival der Beat- und Beatles-Ausstellung „The Hamburg Sound“ im Museum für Hamburgische Geschichte am 3. 6. (11 Uhr), 4. 6. (13 Uhr) und 5. 6. (15 Uhr) Vorträge halten. Die Ausstellung läuft vom 3. Juni bis zum 5. November