dream team (3)
: Die Konter der Opposition

Nachdem er mir am Morgen den letzten Weisheitszahn gezogen hatte, fragte ich den Zahnarzt, ob ich am Abend Fußball spielen könne. Ja gut, hatte er daraufhin gesagt, wenn es aber an der Stelle, wo zuvor der Zahn gewesen war, pochen würde, müsse ich aufhören. Und dann hatte er gefragt, wo ich denn spielen würde, welche Position?

Komische Frage. Ich überlegte für einen Moment, so als wäre ich wieder zwölf, grad neu im Verein, und der Arzt wäre mein Trainer und hätte mich in dieser Funktion befragt, um zu erfahren, wo er mich denn hinstellen könnte. Das ist ja eine der großen, entscheidenden Fragen im Leben.

Als Kind hatte ich jahrelang unorganisiert gespielt. War nach den Schularbeiten mit einem Freund auf die Rennkoppel gegangen. Lange hatten wir immer zu zweit gespielt. Einer stand im Tor und der andere lief hin und her. Ich passte mir zu, narrte imaginäre Gegenspieler und kommentierte das alles, so wie ich es aus dem Radio kannte. Ich war eine ganze Mannschaft – Schalke 04 – und schenkte mal diesem, mal jenem ein Tor. 1974 war im Prinzip zwar Erwin Kremers mein Lieblingsspieler, aber es machte fast noch mehr Spaß, als Klaus Fichtel ein Tor zu schießen, weil der ja eher selten nach vorne ging. Im Verein spielte ich dann meist offensiv ausgerichtete Außenverteidiger. Auch jetzt noch, weil man als linker oder rechter Außenverteidiger am meisten vom Spielfeld sieht und alles im Blick hat. Als Stürmer hat man zu viel im Rücken; in zentralen Positionen verliert man zu schnell den Überblick.

Ohnehin ist es am angenehmsten, aus einer eher unscheinbaren Position überraschend und plötzlich nach vorne zu gehen. Am meisten Spaß – sowohl beim Spielen als auch beim Gucken – macht das Konterspiel. Das Konterspiel ist am besten, wenn man gegen eine Mannschaft spielt, die einen Tick besser ist als die eigene. In einer solchen Konstellation geht es darum, einerseits zunächst sehr präzise als Mannschaft den Platz zuzustellen, andererseits abwartend zu agieren, dem Gegner die Spielgestaltung zu überlassen, ihn in Sicherheit zu wiegen und dann über zwei, drei Stationen …

Offensivfußball ist Regierungsfußball und offensive Teams brauchen Stars. Konterfußball ist Oppositionsfußball und man braucht dazu eine ausgeglichene Mannschaft, in der Stars manchmal stören, weil sie das Gleichgewicht durcheinander bringen. Meine Lieblingsteams sind die großen, oft leicht unterschätzten Kontermannschaften wie in diesem Jahr Japan vielleicht. Damit die Schönheit ihres Spiels allerdings auch zur Entfaltung kommen kann, brauchen sie einen nur leicht überlegenen Gegner.

DETLEF KUHLBRODT