die taz vor 16 jahren
: Die Volleyball-EM der Gehörlosen

Eigentlich wollte Lorenzo Belotto längst aufhören mit dem Volleyball. Aber dann schwoll der Mann aus Vicenza auf ordentliche 107 Kilogramm und beschloß, wieder etwas für seinen Körper zu tun. Und so kam es, daß der 32jährige, bärtige Italiener kürzlich zum besten Einzelspieler der Europameister gekürt wurde.

Den Beifall, den er in der Danziger Sporthalle für diese Auszeichnung kassierte, konnte Belotto allerdings nicht hören. Doch er sah die sich bewegenden Hände und freute sich, und zudem: so wie ihm ging es den Aktiven und vielen unter den Zuschauern auch.

Ausgespielt nämlich wurde in der polnischen Ostseestadt die Volleyball-EM der Gehörlosen, und für Lorenzo Belotto war die Ehrung so etwas wie ein Trostpflaster: Viel lieber hätte er die Goldmedaille mit nach Hause genommen, doch im Finale war die UdSSR besser 3:1.

Nicht nur der Sowjetunion machte der Bankangestellte zu schaffen, auch in anderen Spielen bewies er seine Übersicht, Sprungstärke und Technik. Kein Wunder: Noch 1989 spielte Belotto in Italiens Serie B bei den Hörenden mit.

Die Bundesdeutschen gingen mit zuviel Selbstsicherheit an die Aufgabe, hatten die Fähigkeit der Gegner, sich zu steigern, unterschätzt. Überraschend war das glatte 3:0 der DDR gegen die Bundesrepublik. Freute sich Trainer Siegmar Schleef: „Hier schöpfte die Mannschaft ihr Leistungsvermögen voll aus.“

Jens Starke, taz vom 2. 6. 1990