Das Stiefkind

DOKU In „It’s more than TV!“ (23.13 Uhr, Arte) gibt es kaum neues Wissen zum Thema US-Serien

Über kaum ein Produkt der Unterhaltungsindustrie ist im Feuilleton der letzten Jahre so viel gejubelt und diskutiert worden wie über „die neuen US-Serien“ von HBO, AMC und Co.

Die Retro-Werbeagenturserie „Mad Men“ hat das modische Styling der letzten Jahre mit beeinflusst, Serien wie „The Wire“ haben ästhetische und technische Standards revolutioniert. Fernsehen ist längst nicht mehr das Stiefkind der Filmindustrie, sondern mittlerweile fast vollwertiges Mitglied der Familie.

Wir haben alles gelesen. Über die endlosen Geschichten, die zu geschlossenen Epen wurden. Über die Figurenentwicklung als wichtigstes Erzählmotiv und darüber, dass plötzlich die Bösen die Helden des Alltags sind, der im Fernsehen gezeigt wird.

Warum genau sollten wir uns also einen Dokumentarfilm angucken, der dasselbe noch mal erzählt? Vielleicht, um die Schnurrbärte der Serienautoren Vince Gilligan und Tom Fontana mit denen ihrer Figuren zu vergleichen. Oder um mehr über die Musik der neuen New-Orleans-Serie „Treme“ zu erfahren.

Filmemacher Christoph Dreher kennt das Metier gut. Der Professor für audiovisuelle Gestaltung hat bereits zwei Bücher zum Thema vorgelegt, eine Anthologie über Autorenserien allgemein und ein Buch nur über die Serie „Breaking Bad“.

In dem 52-minütigen Film „It’s more than TV“ hat Dreher Zweitverwertung von Filmschnipseln gemacht, die er auf Konferenzen und Recherchereisen gesammelt hat. Daran ist nichts Verwerfliches. Dreher hat seine Helden gefilmt, man spürt die Leidenschaft dahinter. Herausgekommen ist ein Aufruf an die deutsche Filmindustrie, der sich im letzten Satz des Films zusammenfassen lässt: „Der Schlüssel zum Erfolg ist der Mut der Macher, keine Kompromisse einzugehen.“ Von Kritik keine Spur. Von neuen Thesen auch nicht. Ein Film für Menschen, die gar keine Ahnung von zeitgenössischem Fernsehen haben. Alle anderen können sich getrost eine Folge „Breaking Bad“ reinziehen.LEA STREISAND