1.500 Euro Strafe für gekauften Sex

FRANKREICH Nach schwedischem Vorbild hat die Nationalversammlung jetzt beschlossen, nicht die Prostituierten, sondern die Freier zu bestrafen. Oder Letztere in Umerziehungskurse zu schicken

Auffallend war die Abwesenheit außergewöhnlich vieler Abgeordneter bei der Abstimmung

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Die französische Nationalversammlung hat in erster Lesung einer Gesetzesvorlage zugestimmt, die nach dem Vorbild von Schweden Kunden von Prostitution mit Geld- oder Haftstrafen abschrecken soll. Wer bei Prostituierten käuflichen Sex sucht, muss in Frankreich mit einer Strafe rechnen. Bezahlter Sex wird demzufolge für die Freier zu einem Delikt, das mit 1.500 Euro Geldbuße und im Wiederholungsfall mit dem doppelten Betrag bestraft werden kann.

Das Gesetz sieht als Alternative vor, dass sich von der Polizei inflagranti ertappte Konsumenten bei einem Erziehungskurs über die Realitäten und Hintergründe der Prostitution informieren lassen. Umstritten war in der Vorlage vor allem, dass künftig den illegal aus Afrika, China und Osteuropa eingereisten Prostituierten nach sechsmonatiger Tätigkeit mit einer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung der Ausstieg aus dem Sexgewerbe erleichtert werden soll. Die Opposition kritisiert das als einen gefährlichen Anreiz für neue Immigrationswellen mit einem obligatorischen Zwischenaufenthalt im Rotlichtmilieu.

Die Vorlage wurde am Mittwochabend schließlich nur recht knapp und von einer ziemlich heterogenen (hauptsächlich weiblichen) Mehrheit von Abgeordneten angenommen. Dafür haben sich vor allem die Sozialisten, Kommunisten und die Linkspartei sowie ein Teil der Zentrumsdemokraten ausgesprochen. Mehrheitlich dagegen haben aus unterschiedlichen Gründen die Vertreter der konservativen UMP und die der Grünen votiert. Auffallend war aber vor allem die Abwesenheit außergewöhnlich vieler Abgeordneter zum Zeitpunkt der Abstimmung.

Um in Kraft treten zu können, braucht das Gesetz noch die Billigung des Senats. Die Zustimmung der Nationalversammlung ist jedoch ein Vorentscheid, der belegt, dass Frankreich nicht auf eine Liberalisierung setzt. Bereits 2011 hatten die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung eine Resolution verabschiedet, in der sie sich einstimmig für die „Abschaffung der Prostitution“ aussprachen. Die „Kriminalisierung“ der Kunden soll also nur eine weitere Etappe sein.

Frankreich folgt mit dieser Gesetzgebung dem skandinavischen Vorbild. Natürlich hat der Vorschlag, den Kauf von Sex zum Delikt zu erklären, in Frankreich eine Debatte ausgelöst. Die Fronten gehen quer durch die politischen Parteien und ebenso durch die Vereine zum Schutz der Prostituierten. Feministische Organisationen wie „Osez le féminisme“ haben vor dem Parlament für das neue Prostitutionsgesetz demonstriert. Es gab aber auch prominente feministische Stimmen, die wie beispielsweise die Philosophin Elisabeth Badinter dagegen sind, weil eine solche Form von Prohibition das Recht der Frauen, frei über ihren Körper zu verfügen, infrage stelle. Noch vor der Abstimmung in der Nationalversammlung demonstrierten rund 200 Mitglieder der SexworkerInnen-Gewerkschaft „Strass“ vor dem Parlamentsgebäude. Auf Protestschildern war unter anderem zu lesen: „Prostituierte ohne Kunden sucht Stelle in der Regierung.“

Meinung + Diskussion SEITE 12