„Kartoffeln können dich retten“

TAFELRUNDE Wenn es draußen kalt ist und die Sonne früh untergeht, ist viel Zeit, um mit Freunden zu essen. taz-Koch Christoph Esser über Gerichte für viele, Überraschungs- besuch und Fisch, der nicht stinkt

INTERVIEW SEBASTIAN KEMPKENS

sonntaz: Christoph, ein Szenario: Es ist Freitagabend, 18 Uhr, Feierabend. In zwei Stunden kommen sechs Freunde zu Besuch, ich hatte angekündigt zu kochen. Vorbereitet ist nichts. Was tun?

Christoph Esser: Au, dann wird’s ganz schön haarig. Was man oft zu Hause hat und was alle lieben: Mehl, Milch und Eier zu Pfannkuchen verarbeiten. Das kann ein echtes Happening werden, zum Beispiel mit Pfannkuchen-Hochwurf. Und niemand merkt, dass das nicht geplant war.

Was sollte man denn sonst immer da haben, um schnell Besuch bewirten zu können?

Nudeln, Tomaten und Zwiebeln natürlich – für Nudeln mit Tomatensauce.

Ist aber ein bisschen schnöde, oder?

Ja, aber man kann das leicht aufwerten. Zum Beispiel mit einer guten Tomatensoße: Zucker karamellisieren, dann erst Öl und Zwiebeln dazu und leicht durchschwenken. So bekommt die Soße eine tolle Süße. Auch gut: Knoblauch golden anrösten, in einer kleinen Extrapfanne. Das wird richtig nussig und crispy. Den Knoblauch kann man am Ende darüberstreuen. Ansonsten habe ich auch immer ein Glas Seitan und ein Päckchen Tofu zum Anrösten zu Hause. Das wird ja nicht schlecht. Und Kartoffeln. Die können dich retten, wenn du nicht viel Zeit hast.

Wie das?

Ein paar Kartoffeln und anderes Gemüse klein schneiden. Mit Öl, Gewürzen und Salz gut mischen. Und dann einfach aufs Backblech, das ist sehr praktisch. Du kannst auch noch ein Lammkotelett, eine Hähnchenkeule oder ein Rumpsteak dazulegen, wenn kein Vegetarier dabei ist.

Und angenommen, man hat Zeit, um einkaufen zu gehen?

Eine gute Idee finde ich: Döner selbst machen. Die türkischen Läden haben immer lange auf, da bekommt man alles. Fladenbrot, Zucchini, Paprika, Fetakäse.

Wenn ein bisschen Zeit ist: Was machst du gern, wenn du Freunde eingeladen hast?

Was ich toll finde, sind Suppen, Cremesuppen. Dazu ein leckeres Brot mit Butter und alle sind glücklich. Letztens habe ich bei Karstadt den Waldviertler entdeckt, ein neues, großartiges Brot, absolute Empfehlung. Das, mit frischer Butter: perfekt.

Was gibt’s dazu zu trinken?

Bier. Für Bier sollte sowieso immer Platz im Kühlschrank sein. Und Rotwein sollte man auch immer da haben.

In der taz-Kantine gibt es manchmal Fisch. Forelle für große Gruppen, wie macht man das gut?

Fisch stinkt ja grundsätzlich. Heute habe ich Bratfisch gemacht, das ist zu Hause die Hölle, den Gestank kriegst du aus der Bude nicht mehr raus.

Also besser in den Ofen?

Genau, Fisch lieber in den Backofen. Lachsfilet und Zander sind eigentlich dankbare Fische für Anfänger, die werden nicht so schnell trocken.

Was mache ich drauf?

Den Fisch musst du mit einer Soße einpinseln, mit Honig, Senf, vielleicht ein bisschen Curry. Dann schiebst du ihn in den heißen Ofen, 240 Grad, dauert höchstens zehn bis zwölf Minuten.

Noch mal zu dem Szenario vom Anfang, die Freunde sind da. Ist es eigentlich arg unhöflich, zwischen Küche und Esszimmer hin- und herzuspringen?

Ja, das muss man vermeiden, das ist unhöflich und ungemütlich. Außer man macht ein Happening draus.

Happenings gefallen dir, oder?

Schon! Und es ist praktisch, wenn sich die Gäste nicht so gut kennen, es regt die Kommunikation an.

Wie sieht so ein Happening bei dir zu Hause aus?

Was ich toll finde, ist das sogenannte Okonomisushi, also zum Selbermachen. Das ist eine wunderbare Sache, braucht aber ein bisschen Vorbereitung. Da richtet man alles an: den Reis, der muss leicht gesäuert sein und etwas süß. Dazu braucht man die Noriblätter und Füllungen, Wasabi und die Sojasoße. Das stellt man auf den Tisch und jeder kann sich selbst sein Sushiröllchen bauen.

Noch eine Knigge-Frage: Sollte man die Küche schon sauber machen, wenn die Gäste noch da sind? Oder erst, wenn alle gegangen sind?

Ich werde nervös, wenn das dreckige Geschirr rumsteht. Ich muss klar Schiff machen, ich komme aus der Gastronomie. Das ist nicht unhöflich, man muss es eben unauffällig machen.

Wenn Gäste da sind, wird’s schnell hektisch. Wo bewahrst du was auf, damit du schnell drauf zugreifen kannst?

Ich habe eine sehr gute Küche: Eine riesige, freie Arbeitsfläche, große, tiefe Schubladen. Ich sage immer: kurze Sachen in kurze Fächer, lange Sachen in lange Fächer. Im Restaurant muss jeder Handgriff sitzen, jede Minute zählt. Spargelschäler, Tomatenmesser, Eisportionierer, Vorlegelöffel, muss man alles blind finden. Und die Spüle sollte immer frei sein.

Kochst du denn eigentlich gern für Freunde?

Nee, gar nicht. Der Schreiner, der den ganzen Tag in der Schreinerei steht, kommt ja auch nicht nach Hause und baut erst mal einen Tisch.

Auch nicht im Winter, wenn man öfter zusammen zu Hause hockt?

Eine Freundin aus Zürich bekniet mich schon ewig: Ich will so gern mal was von dir essen. Da muss ich eine Ausnahme machen. Und ich habe kürzlich für meine Freundin und meine Nachbarin gekocht.

Und was gab’s?

Da hatte ich auch ein bisschen Zeit: Eine Suppe mit Ochsenbrust aus dem Bioladen. Was anderes kaufe ich nicht. Die habe ich in Scheiben geschnitten und separat in Fleischbrühe geköchelt, das Gemüse angeschmort und dazugegeben. Die Suppe musste man dann mit Löffel, Messer und Gabel essen. Aber sie war sehr lecker.

Christoph Esser ist Koch im taz-Café in der Berliner Rudi-Dutschke-Straße – der Betriebskantine der taz-Belegschaft. Er hat hier jeden Monat Fragen zur Hardware des Kochens beantwortet – in dieser Ausgabe zum letzten Mal.

Die anderen Autoren: Philipp Maußhardt schreibt über vergessene Rezepte, Undine Zimmer kocht mit dem, was im Kühlschrank übrig blieb, und die Köchin Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte.