Offener Brief an die CDU-Fraktion

Betr.: „hamburg kompakt: Wahlrecht vertagt“, taz hamburg vom 31. 5. 06

Herr Reinert. Mit großem Unwillen verfolge ich die Politik des Senats im Bezug auf die Volksentscheide. Da ist ja bisher kaum einer dabei, dem Sie und Ihre Partei nicht zuwider entschieden haben, und als nächstes soll auch noch das neue Wahlrecht folgen? Mit welcher Legitimation, das frage ich mich. Ich habe nicht den Eindruck, dass die politischen Entscheidungen der Gesetzgebung der letzten Jahre zu einem stabilen, sozialverträglichen Haushalt geführt haben. Was Sie betreiben, ist Flickwerk, wovon unsere Kinder und Enkel nichts anderes haben werden als noch mehr Löcher in den Kassen und immer weniger Einnahmequellen – mit zweifelhaften Folgen für die Versorgung mit öffentlichen Gütern (…). Wie war das noch, LBK verkaufen, aber auf den Verpflichtungen sitzen bleiben? Und womöglich dem Beispiel Berlins folgen – die profitablen Wasserwerke verkaufen und sie irgendwann herunter gewirtschaftet zurück kaufen müssen, um die Qualität einigermaßen sichern zu können?

(…) Nachhaltig und generationsbewusst möchte ich das jedenfalls nicht nennen. Und wozu soll die Erschwerung der Volksgesetzgebung gut sein? Wozu die Änderung des Wahlrechts, noch ehe es sich auch nur einmal erproben konnte!? Es wird Zeit, dass ein paar Änderungen eintreten. Das Wichtigste erscheint mir, dass Sie als auch Ihre Partei/Fraktion Respekt vor Volkes Willen erlangen und etwas Vertrauen in das Urteil Ihrer Wähler – auch wenn das hieße, dass Sie (oder Ihre Fraktion) möglicherweise das nächste Mal bei der Senatsbildung nicht mehr mit von der Partie wären.

(…) Immerhin gab es eine Mehrheit für das bestehende Wahlrecht der Initiative und nicht für den Gegenvorschlag von CDU/SPD. Sie sind ja auch froh, dass die SPD das letzte Wahlergebnis akzeptiert hat – obwohl sie verloren hat. Und gleiches, denke ich, gilt auch für Ihre Partei: Wenn die CDU bei einer Wahl unterliegt, wartet sie halt auf die nächste Chance – und hindert nicht die Gewinner daran, die ihnen zustehenden Ämter und Funktionen auszuüben. Zumindest in dem Punkt haben wir ja noch keine Verhältnisse wie in Italien – das soll auch so bleiben!

Wenn Sie das Wahlrecht angreifen, handeln Sie auch dem Willen der Menschen zuwider, die Sie zu ihrem gesetzlichen Vertreter gewählt, ihnen den Regierungsauftrag anvertraut haben. Mit Ihrem Verhalten bewirken Sie nichts, als das Gefühl der Ohnmacht zu steigern und die Politikverdrossenheit anzufachen.

Verschieben Sie nicht nur die Änderungspläne. Lassen Sie das Wahlrecht wie es ist! Es grüßt Sie KATJA SCHNEIDER