Leservorwurf

Ein tadelnswerter Missgriff

Am 30. November 2013 hat die taz in der Rubrik „Gurke des Tages“ einen Fernsehbericht über einen Blindenfußballer abfällig und höhnisch kommentiert. Gerade kurz vor dem morgigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung ist die Wortwahl außerordentlich übel. Von der taz, deren Programm es ist, Diskriminierungen entgegenzutreten und Minderheiten zu schützen, sind wir solche Töne nicht gewöhnt. Wir sind weder humorlos noch haben wir etwas gegen Satire. In diesem Fall bitten wir Sie, den redaktionellen Missgriff, der nicht das Werk einer Einzelnen sein kann, zu tadeln. FRIEDHELM JULIUS BEUCHER, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes e. V.

Die taz antwortet
Stellen Sie sich vor, Sie sind blind …

Lieber Friedhelm Julius Beucher, normalerweise reagiere ich auf Stellvertreter-Empörung nicht. Aber wenn Robert Warzecha mich als Autor der „Gurke“ fragen sollte, was an ihr komisch ist, würde ich ihm sagen: Stellen Sie sich vor, Sie sind blind … Das müssen Sie sich selbstverständlich nicht vorstellen, Sie sind es ja. Aber stellen Sie sich vor, ständig kommt jemand auf Sie zu und sagt: „Sie sind ja blind, Sie armer, armer Mensch.“ Dauernd werden Sie mit Mitleid überschüttet. Mitleid aber ist die schlechteste Medizin. Es trübt den Blick und vernebelt die Sinne. Besser ist es, wenn jemand über Sie lacht, damit Sie Teil einer Gemeinschaft werden. Wenn niemand über Sie lacht, werden Sie ausgegrenzt, als Einziger, über den man keine Witze machen darf. Ein wenig Spott kann jeder Mensch gut vertragen, weil im Lachen die Erkenntnis wächst, dass auch ein Blinder Teil unserer komischen Welt ist.

Robert Warzecha rief mich übrigens am Montag an und meinte, er habe über die Glosse gelacht, wünsche sich aber für den Blindenfußball mehr Aufmerksamkeit. Ich habe ihm noch viele Tore gewünscht. MICHAEL RINGEL, Die Wahrheit